Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Titel: Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)
Autoren: Urs Bigler
Vom Netzwerk:
sich einfach gelöst, wie ein Pfeil auf einer gespannten Armbrust.
    Nun gab es kein Zurück mehr.
    «Ihr werdet dereinst Herzog sein, das Waldhaus ist nicht der richtige Ort für einen Prinzen. Euer Zuhause ist das Schloss in Haldenburg. Eure Flucht war unüberlegt und töricht. Noch könnt Ihr vieles wieder gutmachen. Geht zu Eurem Vater und versöhnt Euch mit ihm!»
    Bevor er mit dem letzten Satz fertig war, wusste er, dass er an eine Wand geredet hatte. Bubenhaft unflätig schob Ferdinand Brot und ein Stück Käse in den Mund und begann zu kauen, als wollte er eine Kuhschnauze nachäffen. Dann, gewissermaßen als Zugabe, hob er die rechte Hand, legte seine Stirn in Falten und ahmte mit Zeigefinger und Daumen einen klappernden Vogelschnabel nach.
    «Was ist schon dran, am Regieren? Das kann warten», sagte er und zwinkerte seiner Geliebten schelmisch zu.
    «Und soll ich heimlich zu Lena schleichen? In langen Verlegenheitslatschen? Und seid Ihr denn nicht froh, dass wir Euch helfen? Ihr seid nicht mehr der Frischeste, ich meine, der Weg zum großen Magisterium ist steil und steinig. Wie wollt Ihr ohne unsere Hilfe diesen Weg gehen?»
    Der Abt entschied, hierauf nur mit einem Seufzer zu antworten. Es war müßig am Prinzen erzieherisch herumzudoktern, das wusste er nur zu gut. Diese selbstverliebte Zunge verknoten, das müsste er, oder die Gehörgänge mit einem Kanonenfeger schrubben, einfach irgendetwas anderes, als ihm ernst ins Gewissen reden, damit erreichte er nichts und stachelte er ihn nur zum Widerspruch an.
    «Dauernd macht Ihr Euch Sorgen, Vater findet uns nicht. Wie auch? Dem kommt es nicht in den Sinn, uns hier im Wald zu suchen.»
    «Und die Schnüffler Eures Vaters?», entfuhr es dem Abt. «In jedem Wirtshaus, im Wirtshaus von Kleinkirchen, im Wirtshaus von Dinkelsweiler, überall sind sie, spitzen ihre Schmalzohren und schlabbern den Speichel, den irgendein Lästermaul fallen lässt. Und davon gibt es genug, glaubt mir, es würde mich nicht wundern, wenn Ihr schon längst Tagesgespräch all dieser Schwatzmäuler seid. Ihr tragt zwar zur Tarnung die Kutte eines Einsiedlers oder die zerschlissene Pluderhose eines Landsknechts, habt aber vergessen, etwas Demut in Euren Gang einzubauen, Ihr stolziert immer noch herum, als müssten alle vor Euch Spalier stehen!»
    Kaum hatte er fertig gesprochen, ärgerte er sich, dass er so laut geworden war. Und in Gedanken verwünschte er seinen dicken Bauch, der sich wie ein unerschöpfliches Behältnis für gelbe cholerische Galle anfühlte und alles, was da tagein, tagaus hineingelangte, in den cholerischen Saft zu verwandeln schien.
    Er wollte etwas Versöhnliches beifügen, aber da drückte Ferdinand den Zeigefinger an die Lippen und deutete mit einem Augenrollen zur Bettstatt, wo der Knabe seinen Oberkörper aufrichtete und, sich die verklebten Augen reibend, den Kopf zum Tisch drehte.
    «Wartet, ich mach das schon!»
    Lena trat zum Knaben, strich ihm über den Rücken und flüsterte ihm zu, bis sich der schmächtige Körper wieder auf die Bettstätte senkte und der Kopf in den Laubsack sank.
    «Entschuldigt», fuhr der Abt leise fort, «ich bin unruhig in letzter Zeit. Mir ist, als säßen wir auf einem erwachenden Vulkan. Und ich kann nicht einschlafen. Falls doch, krallen sofort hässliche Gespenster nach mir. Schwere Sorgen bereitet es mir, dass Ihr Haldenburg verlassen habt. Glaubt mir, wir schlittern auf einen Krieg zu. Haldenburg braucht Euch, Haldenburg braucht einen lebenstüchtigen jungen Herrscher.»
    Fest sah er dem Prinzen in die Augen und machte ein möglichst strenges Gesicht. Das schien nicht ohne Wirkung zu bleiben, Ferdinands linker Mundwinkel begann zu zucken und zusehends aufgewühlter blickte er drein, als wäre nun doch der Ernst des Disputs im Vorzimmer seines Verstandes angekommen, und das mit all seinen störenden Konsequenzen und unangenehmen Begleiterscheinungen.
    «Was für einen Rat habt Ihr mir? Vater um Verzeihung bitten? Das ist schnell gesagt und noch schneller gedacht. Kennt Ihr ihn so schlecht? Und was ist mit den Jesuitenpadres, diesen Schlangen? Glaubt Ihr, dass er seinem reuigen Sohn Gehör schenkt? Und glaubt Ihr wirklich, dass er ihm alles vergibt – die Verweigerung der Sohnespflicht, das Durchbrennen und die wilde Ehe?»
    Angewidert spuckte er auf den Boden und schlug mit der Faust auf den Tisch.
    «Glaubt Ihr wirklich an eine Versöhnung? Vater hat vergessen, was Großzügigkeit ist. Seit seinem Jagdunfall, seit er nur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher