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Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Titel: Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)
Autoren: Urs Bigler
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gefährlichstes Bärenknurren.
    «Oh, nicht, keine Zornesfalte! Sonst fällt dir die Nase ab, kleiner Mann. Was willst du also?»
    Ohne den Blick von ihr abzuwenden, nahm er ihre rechte Hand und drückte sie auf bemooste, auf besonnte und auf schattige Stellen des Steins.
    «Du willst mir etwas zeigen. Stein…Moos…Flechten…Ameisen?»
    «Warm und kalt», brach es plötzlich aus ihm heraus.
    Einen Augenblick war es totenstill.
    Die Hände auf den Mund gepresst, sah er in Lenas verdutztes Gesicht.
    Er hatte etwas Dummes getan. Er hatte geredet, er hatte gegen das Verbot verstoßen!
    «Wurzelkönig», lachte sie, «du kannst ja reden, du bist ja gar nicht stumm!»
    Gehetzt blickte er um sich.
    Wo war der Vogel?
    Schnell sprang er vom Stein hinunter, fuhr wie ein kleiner Eber unter ihre Röcke und umklammerte das rechte Bein.
    Er hatte den Vogel verärgert und keine Antwort erhalten.
    Wenn das nur gut ging.
    Jetzt musste sie ihn auch am Tag beschützen, er würde kommen, ganz bestimmt würde er kommen und ihm die Augen auspicken.
    «Der Vogel», stammelte er und streckte den Kopf hervor, «ich habe Angst, er ist riesig und hat einen langen Schnabel!»
    «Wie riesig?
    Sie hob die Hände und deutete eine mögliche Grösse an.
    «So? Oder gar so?»
    Arno schüttelte den Kopf, kroch aus seiner Deckung hervor und riss die Arme auseinander.
    «Soo!»
    Lena drückte ihn an sich und sagte tröstend: «Wurzelkönig, ich erzähl’ alles Ferdinand, und wenn der Vogel wieder kommt, schießt er ihn mit der Büchse mausetot. Und dann rupfen wir ihn und braten ihn über dem Feuer, einverstanden?»
    Arno nickte.
    Was Lena vorschlug, klang beruhigend. Und vielleicht hatte der Vogel die Drohung mitgehört und ließ ihn jetzt in Ruhe.
    Gut war es, dass er geredet hatte, sehr gut.
    «Zwiebeltunke», sagte er, «Huhn mit Zwiebeltunke, das ist fein!»
    Lena strich ihm übers Haar und lachte, so dass er auch lachen musste. Er verstand zwar nicht ganz, warum sie so lachte, aber das spielte nun keine Rolle mehr.
    Denn der Vogel hatte seine Lektion gelernt. Das war das Einzige, was jetzt zählte.
    Schiss brauchte man vor dem keine mehr zu haben.
    Nur noch ein ganz klein wenig vielleicht.
     

Kapitel 3
Pater Clemens
    August anno domini 1578
    Einen Monat später
     
     
    Die Tannäste, die tanzenden Insekten und die Sträucher im Unterholz muteten ihn unwirklich an. Auch der feucht-moderige Waldduft reizte die Nase nicht wie sonst, er war fade und kraftlos.
    Der Abt griff sich an den hämmernden Schädel und stellte sich darauf ein, dass er nächstens zerspringen oder wie ein unter Druck stehendes Gefäß platzen würde.
    Wie nur hatte er solche Mühsal verdient?
    Sein Kopf fühlte sich an, als hätte man ihn mit einem Tiegel verwechselt und darin eine harte, hitzebeständige Substanz mortifiziert. Rissig und spröde war er, und unablässig brodelte darin das Blut wie eine dicke Suppe, so dass es nächstens den Deckel wegzusprengen und überzulaufen drohte. Und das nur, weil der Allmächtige vermutlich die Umgebung verändert und über Nacht den Weg steiler gemacht hatte!
    Er blieb stehen, angelte aus der Kuttentasche einen Lappen und schaute benommen auf den schmalen Trampelpfad, den er bereits hinter sich gebracht hatte und der sich wie ein Faden in der Landschaft zum Kloster hinzog.
    Sah er am Ende die Dinge ein wenig krumm?
    Gründlich fuhr er sich mit dem Lappen übers Gesicht, ächzte ein bisschen vor sich hin und schüttelte leicht den Kopf.
    Er sah sie nicht nur ein wenig krumm, sondern völlig verbogen!
    Schuld war nicht Gott, sondern die Schinken und Pasteten, die er verschlungen hatte. Und nicht minder schuld waren sein Alter und seine Gebrechlichkeit. Das Wandern, das Schlafen, einfach alles bereitete ihm in letzter Zeit Mühe. Die ganze Nacht hatte er sich einsam und elend in seinem Bett gewälzt. Das heißt nicht ganz so einsam, ein Uhu in der Ferne hatte ihm Gesellschaft geleistet, ihm mit seinem geheimnisvollen Gesang Geschichten erzählt und ihn so vom zermürbenden Grübeln abgehalten.
    Auf einmal musste er lächeln, denn der Gedanke an den Nachtvogel gefiel ihm. Er und der Uhu, was für ein harmonisches Gespann wären sie doch!
    In der nächsten schlaflosen Nacht würde er zu ihm ins Geäst klettern, die Lippen weit aufreißen und klagend in die Tannen rufen. Oder dem Federvieh erklären, was es hieß, wenn man nicht in der ersten halben Stunde einschlief und sich die ganze Nacht in den Laken drehte. Oder er würde ihm
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