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Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Titel: Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)
Autoren: Urs Bigler
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damit ein Guckloch freizukratzen begann.
    Als er damit fertig war und hindurchblicken wollte, fiel ihm beinahe der Kiefer hinunter.
    Was nur war mit den Göttern heute los?
    Warum musste ausgerechnet ein Stuhl mit Lenas Schaube über der Lehne die Sicht versperren?!
    So konnte man natürlich nichts erfahren über die Bewaffnung des Gegners!
    Er presste die Lippen zusammen, versuchte ruhig zu atmen und sich auf das einzige Verwertbare seiner Spionage zu konzentrieren: die Stimmen, die von Zeit zu Zeit zu belauschen waren –Stimmen, und das befremdete ihn zusehends stärker, die sich nicht rau und herrisch, sondern brüchig und gedämpft anhörten und sich gesittet mit einer sich offensichtlich sehr bemühenden Lena unterhielten.
    Was nur hatte das alles zu bedeuten?
    Eine Weile noch verharrte er auf seinem Posten, dann aber schüttelte er leicht den Kopf und kam zum Schluss, dass er die Situation völlig falsch eingeschätzt hatte und es höchste Zeit war, seinen Lauschangriff zu beenden und der merkwürdigen Gesellschaft, wie es sich schickte, durch die Türe die Aufwartung zu machen.
    Bereits hatte er das Guckloch notdürftig wieder zugestopft, da raschelte es hinter ihm, und kurz darauf spürte er etwas Hartes im Rücken.
    Wie Gift breitete sich Panik in seinem Körper aus und ein einziger Gedanke bohrte sich durch seinen Kopf: der Lauf einer Muskete, das kalte Metall einer Mörderwaffe, der Stahl eines todbringenden Schiessgeräts!
    «Bum, Bum!», rief auf einmal eine helle Knabenstimme, so dass er, wie von einem scharfen Peitschenhieb getroffen, herumschnellte und, zu keinem klaren Gedanken fähig, die Hände über dem Schädel verwarf.
    Arno!
    Sein Pflegesohn!
    Wie konnte er nur Arnos Stecken für eine Muskete halten?
    Unfähig, ein vernünftiges Wort über die Lippen zu bringen, wandte er sich vom Lausbubengesicht ab und stapfte um die Ecke.
    «Was zum Henker…»
    Gerade rechtzeitig gelang es ihm, seinen energischen Schritt zu zügeln und einen Zusammenstoß mit zwei kränklichen Gestalten zu vermeiden.
    «Gott sei mit Euch!»
    Sie sagten es leise, verbeugten sich leicht und schlappten an ihm vorbei.
    Allmählich dämmerte ihm, was sich hier in seinem geheimen Alchimistenreich abspielte, und alles begann Sinn zu machen, diese bemitleidenswerten Kerle, Lenas fürsorglich leuchtende Augen und die Tatsache, dass sie ihn gar nicht wahrzunehmen schien.
    Er merkte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss, und bevor er wusste, was er tat und Lena sich wehren konnte, hatte er sie ins Haus gestoßen und die Türe zugewuchtet.
    «Warum», schrie er, «sind diese Menschen zu Euch gekommen? Was fällt Euch ein? Seid Ihr krank, habt Ihr den Verstand verloren? Es ist verrückt, geradezu unverzeihlich, diese Menschen hier zu verarzten! Ihr habt unser Versteck verraten. Das sind Plappermäuler, morgen schon reden die Leute über uns, überall in den Dörfern, über Euch, über das Waldhaus, über die Geräte im Labor, die sie nicht verstehen.»
    Kreidebleich und steif, als hätte eine Kreuzotter sie gebissen, starrte ihn Lena an.
    Augenblicke später war sie verschwunden.
    Schnell, rauschend, ohne Widerrede.
    Sie hatte lediglich die Klinke gepackt, die Türe aufgerissen und die Flucht ergriffen.
    Für kurze Zeit noch waren Arnos entsetzte Rufe zu hören, dann wurde es still.
    Furchtbar still.
    Sogar die Vögel und die Tannen schienen zu schweigen. Kein Gezwitscher, kein Rauschen der Äste – alles war furchtbar still.
    Er befingerte seinen Bauch und kam sich bedrohlich brüchig vor, so dass er fürchtete, beim nächsten Windstoß wie eine ausgesaugte Eierschale zu zerspringen und jämmerlich zu Pulver zu zerbröseln.
    Er tastete sich zur Türe, trat über die Schwelle und ging zur Bank neben dem Eingang, wo er sich setzte und eine Weile fassungslos auf seine zitternden Hände starrte.
    Er war gealtert, zwanzig Jahre mindestens, er war ein Greis geworden.
    Komm, Klapperross, jeder Sturm hat einmal ein Ende!
    Ruhig atmen, einfach ruhig atmen!
    Langsam ließ er den Blick über Lenas Garten schweifen, betrachtete Salbei, Petersilie, Kümmel, Kerbel und Koriander und konnte sich nicht erklären, warum er eben so von der Bahn geraten war.
    Wer solches Gartenglück hatte, musste feinfühlig sein. Und wer so feinfühlig war, den durfte man nicht abkanzeln und anschreien. Es war unvernünftig, was Lena getan hatte, aber er hätte es ihr sachte beibringen können, mit der Überzeugungskraft eines Gelehrten und nicht mit dem Geschrei
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