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Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Titel: Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)
Autoren: Urs Bigler
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rein, die dicke Türe bot sicheren Schutz, sie schien die Zerstörer und Allesfresser, sie schien sogar religiöse Eiferer, die in jedem Tiegel Tod und Teufel witterten, von diesem Raum fernzuhalten.
    Tief Atem holend, hob er den freien Arm, schlug das Kreuz in der Richtung, wo sich die Türe befand, und schloss die Augen, um die Hände zu falten und in einem Gebet Plagegeister, wie immer sie auch geartet waren, aus seinem Kopf zu verbannen und mit einem kräftigen Tritt zur Hölle zu schicken.
    Als er mit dem Gebet fertig war und die Augen wieder öffnete, stellte er fest, dass die Larve Gesellschaft bekommen hatte. Eine wohlgenährte Spinne war aus der mittleren Ablage aufgetaucht, bewegte sich leichtfüßig auf das saftige Leben im weißen Röhrchen zu und brachte sich lauernd in Stellung vor der Begehrlichkeit.
    Der Schrei, der ihm im Hals steckte, beschloss er aus Rücksicht auf den Knaben zu unterlassen, stattdessen warf er einen fragenden Blick zum Dachgebälk, der eigentlich dem Himmel galt.
    War das ein Spottgruß für sein Gebet?
    Alles, was ihm dazu noch einfiel, war ein leichtes Kopfschütteln und ein Klaps gegen die Stirn.
    Er war ein Dummerjan, ein unverbesserlicher Dummerjan!
    Er wusste es und wollte es nicht wahrhaben.
    Eines Tages würden sie auch ihn finden. Sie trampelten langsam, aber sie trampelten gründlich, die hirnlosen Verfechter der Hexenlehre, und in jedes wissenschaftliche Feld drückten sie ihre Klumpfüße. Das Leben, das Kreatürliche, die göttliche Schöpfung, das hatte er zur Genüge erfahren, war stets zerstörerischen Kräften ausgesetzt. Auch er könnte sich noch so tief im Wald verstecken, überall kämen sie hin.
    Er schluckte, kämpfte gegen den rasch wachsenden Kloß im Hals und hielt sich vor, was er anderen auch vorhielt, wenn sie haderten: Die Tatsache, dass der Pfad des Lebens von Prüfungen gesäumt war – Prüfungen, die jeder zu bestehen hatte, der eine auf die gröbere, der andere auf die sanftere Art.
    Er lehnte sich zurück und versuchte, angenehmer zu sitzen. Der Knabe schien das zu spüren, mit merkwürdigen Lippen-und Zungengeräuschen machte er auf sich aufmerksam.
    Offenbar träumte er.
    «Nur nicht hadern, alter Mann, nur nicht hadern!»
    Er schüttelte leicht den Kopf und strich das Kittelchen des Kindes zurecht.
    Unmittelbar versetzte ihn das an den Hof von Haldenburg zurück, in das prunkvolle fürstliche Studierzimmer, in dem er mit dem Prinzen über Büchern gebrütet hatte und in dem ihm vom Haushofmeister nach anstrengenden und entbehrungsreichen Jahren der Entlassungsbrief in die Hände gedrückt worden war.
    Was hatte er damals falsch gemacht?
    Er verzog die Mundwinkel zu einem bitteren Lächeln, blickte zum Gestell hoch, wo die Spinne immer noch lauerte, und gab sich keine Mühe, nach einer Antwort zu grübeln, denn die kannte er.
    Nichts hätte er besser machen können!
    Sein Ruf war schon nach wenigen Wochen arg beschädigt, wenn nicht sogar versaut gewesen; zu freizügig waren seine Ansichten, zu stark seine Leidenschaft für Alchimie und zu wenig loyal seine Haltung gegenüber Rom. Und die Konkurrenz hatte nicht geschlafen. Gegärt hatte es an manchen Orten und Katzbuckler und Emporkömmlinge hatten Morgenluft gewittert. Überall waren sie anzutreffen gewesen, die Welle der Zeit hatte sie in alle Winkel des Landes geflutet!
    Da knackte es im Holz über dem Türrahmen und einen Augenblick glaubte er, er könne jederzeit eintreten, der dürre Gelehrte, den man ihm damals, zwei Stunden nach der Überreichung des Entlassungsschreibens als seinen Nachfolger vorgestellt hatte.
    Schnell verscheuchte er das Bild aus seinem Kopf, verlagerte sich wieder ein bisschen auf dem Stuhl und erlaubte sich ein grimmiges Grinsen.
    Auch dieser Knilch hatte sein Fett abbekommen!
    Denn Erziehung war nicht einfach, schon gar nicht, wenn es galt, einem fürstlichen Jungvogel die Flügel zu stutzen und annehmliche Gepflogenheiten beizubringen. Der Prinz hatte nämlich sofort gespürt, woran er mit dem Ehrgeiz gewesen war, der hinter dicken Brillengläsern geglimmt hatte. Er hatte ihn sogleich als eigentümliches Indiz eines zur Blödheit vergeistigten Akademikers erfasst und gemerkt, wie er mit dem kniefälligen, akademischen Buchstabenfresser umspringen musste, von ihm sämtliche Freiheiten erhielt und ihm obendrein noch den Lehrplan diktieren konnte. In solchen Angelegenheiten war der Prinz schlau, da hatte man ihm weiß Gott nichts zu sagen, wie er Menschen, und erst
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