Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Titel: Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)
Autoren: Urs Bigler
Vom Netzwerk:
noch wie ein Hase ohne Pfoten umherhoppelt, ist er streng gegen sich und die Mitmenschen, nicht einmal der zornigste Gott wäre so streng. Und warum? Das Seelenheil, ach ja, das Seelenheil.»
    «Und die Geschichte vom verlorenen Sohn?», fragte der Abt leise.
    «Jener Vater war bei Sinnen. Der war nicht verrückt und verkrüppelt!»
    Ferdinand sagte es knapp und bitter, und der Abt wusste, dass der Prinz nicht ganz Unrecht hatte und es schwierig war, hierauf etwas zu entgegnen.
    Da fuhr ein starker Luftzug durch den Raum, so dass es leicht pfiff und die Kerzen flackerten. Sekunden später tönte es, als schlüge jemand mit Tannzweigen gegen das Fenster. Es waren die ersten dicken Regentropfen, die gegen die Scheiben klatschten und unruhige Stunden ankündigten.
    «Die Nacht wird wohl kalt», sagte Lena.
    Sie trat zum Athanor, rührte mit einem Eisen in der Glut und legte Scheite nach.
    Kurze Zeit, vielleicht ein wenig zu lang, beobachtete der Abt Lenas schlanke Gestalt, gönnte sich ein oder zwei Augen voll von ihrem kräftigen Haar, ihren vollen Lippen und ihren ausgewogenen Gesichtszügen, und gestand sich ein, was er eigentlich nicht akzeptieren durfte – Lena gefiel ihm, mehr als es sich für einen Geistlichen geziemte.
    Wie oft in solchen Augenblicken runzelte er die Stirn und bemühte sich um einen Ausdruck angestrengten Nachdenkens.
    «Was wollt Ihr machen, Ferdinand?», fragte er in die Stille hinein.
    «Warten. Mein Vater ist krank. Wenn er stirbt, kehre ich zurück.»
    Lena, ein Scheit in der Hand, drehte sich um und schien etwas sagen zu wollen.
    «Mit Lena. Nur mit ihr kehre ich zurück», setzte er eilends hinzu.
    Ohne die beiden anzusehen, klopfte der Abt leicht mit dem leeren Weinbecher auf den Tisch und fragte sich, wie stark ihn die Schuld traf. Ferdinands Einstellung zu den Staatsgeschäften ließ zu wünschen übrig. Schon als kleiner Knabe, und das war ihm noch sehr gegenwärtig, hatte er sich vehement gegen das enge Korsett der fürstlichen Unterweisung gewehrt. Und erst der Schulstoff! Widerwilliger als die bitterste Medizin hatte er ihn geschluckt. Einzig in der Alchimie hatte er sich ohne Kampf und ohne Zwang unterrichten lassen, denn die Alchimie hatte es ihm angetan, die hatte er zu seinem Königreich erklärt.
    «Und Euer Bruder?»
    Ein verächtliches Grinsen nistete sich in Ferdinands Mundwinkeln ein.
    «Ihr meint den Kriecher? Der Kriecher, der Schiss hat vor Pferden, vor der Dunkelheit und vor Kobolden? Der ständig in der Kapelle bei der Mutter Gottes hockt? Nein, vor diesem Kriecher fürchte ich mich nicht, und ich verbiete es Euch, ihn zu erwähnen, auch wenn er sich dereinst selbst im Weihwasser ersäuft!»
    Der Abt beschloss, dazu nichts zu sagen. Als schwächlich und ängstlich kannte er Rudolf, als einen ABC-Schützen, der das Officium Beatae Virginis auswendig konnte und aus dem Stegreif die Lauretanische Litanei und die 50strophige Corona quinquegeneria zitierte. Er hatte sich viel erlaubt, der Kleine, er war ehrsüchtig und besserwisserisch gewesen, bei Gelegenheit hatte er sich über Ferdinand erhoben und ihm sogar die Regentschaft abgesprochen. Wer so unstet, undiszipliniert und so wenig gottesfürchtig sei, ende ohnehin im Fegefeuer – mit solchen oder ähnlichen Schlüssen hatte er wiederholt in seinen Mahnpredigten aufgetrumpft. Ein einziges Mal war er deswegen verprügelt worden, sonst hatte Ferdinand ihn einfach mit Nichtbeachtung und Geringschätzung gestraft.
    «Es ist dunkel, und es regnet», hörte der Abt Lenas Stimme hinter sich. «Bleibt Ihr die Nacht über bei uns? Neben Arno habt Ihr Platz genug.»
    Er nickte nur. Zu merkwürdig war diese Frage. Sie machte ihn zum Gast, zum Fremdling, und das im eigenen Alchimistenreich. Und trotzdem ließ er sie sich nicht ungern gefallen, denn es war eine Frauenstimme, die ihn zum Verweilen einlud, eine dunkle und doch warme Frauenstimme, der er ununterbrochen hätte lauschen können.
    Wie ein Schreckgespenst erschien ihm nun der Gedanke an die kahlen und kalten Zimmer seines Abthauses.
    Sein Leben hätte anders verlaufen können.
    Seine Liebe zu Gott war mehr eine Liebe aus Not als eine Liebe aus Überzeugung – eine Wahrheit, die er niemandem auf die Nase binden würde.
     

Kapitel 2
Arno
    Juli anno domini 1578
    Vier Monate später
     
     
    «Jetzt hab’ ich dich!»
    Arno quietschte und rannte im Zickzack davon.
    «Ich habe genug, es ist zu heiß!»
    Unverdrossen lief er einen kleinen Hügel hoch, wo er atemlos stehen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher