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Teufelsleib

Titel: Teufelsleib
Autoren: Andreas Franz
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sie gefunden wurde. Sie hatte Designerklamotten an, Gucci, La Perla, Manolos … Dazu trug sie Schmuck, den man nicht in irgendeinem Laden kriegt, da muss man schon zu einem exklusiven Juwelier gehen, und die sind bekanntlich auch in einer Region wie Frankfurt nicht an jeder Straßenecke zu finden. An der Hauptwache gibt’s einen, ich komm jetzt nicht auf den Namen, da bekommst du alles, sofern du das nötige Kleingeld hast. Allein ihre Uhr hat ein kleines Vermögen gekostet, eine Vacheron Constantin, falls dir das was sagt. Ich hab die Uhr gegoogelt, sie hat einen Neuwert von sechzigtausend, das ist fast mein Jahresgehalt. Die Manolos sind dagegen ein Schnäppchen, der Preis liegt irgendwo zwischen fünfhundert und tausend Euro. Auch das Parfum wird mein Bad niemals von innen sehen, viel zu teuer, fünfzig Milliliter knapp vierhundert Euro. Und dann eben noch die Klamotten, die auch noch mal so fünf- bis sechstausend ausmachen.«
    Sie machte eine Pause und sah Brandt an. Mit aufeinandergepressten Lippen registrierte sie jede seiner Reaktionen, als wollte
     sie seine Gedanken lesen, doch sein nachdenklicher Blick verriet ihr nichts.
    Als würde er ihren forschenden Blick nicht registrieren, murmelte er: »Sie hat doch in einer kleinen Zweizimmerwohnung in Neu-Isenburg gelebt. Ich war gestern in der Bude drin, da war nichts, was irgendeinen größeren materiellen Wert gehabt hätte.«
    »Offiziell hat sie dort gewohnt und war auch da gemeldet, vielleicht einfach nur, um einen gewissen Schein zu wahren«, wurde er von Sievers unterbrochen. »Sie hat jedoch mit Sicherheit noch eine andere Bleibe gehabt, von der keiner etwas wusste oder wissen durfte. Höchstens Insider, falls sie tatsächlich im horizontalen Gewerbe tätig war oder einen reichen Freund hatte. Sie war jedenfalls nicht die, die ihre Eltern kannten. Die Anika Zeidler, die ich auf den Tisch gekriegt habe, hat meines Erachtens ein Doppelleben geführt, ich habe keine andere Erklärung. Den Rest überlasse ich deiner Phantasie.«
    »Sie hat in Neu-Isenburg gewohnt«, brummte Brandt noch eine Spur nachdenklicher, »das haben mir ihre Eltern bestätigt. Aber die gehören zur klassischen Hartz- IV -Schicht …«
    »Was meinst du mit ›klassischer Hartz- IV -Schicht‹? Seit wann gibt es Hartz IV ?«, unterbrach sie ihn spöttisch. »Klassisch! Das klingt nach alt, antiquiert oder was immer, dabei gibt es diesen Mist erst seit ein paar Jahren.«
    »Du weißt genau, wie ich das meine«, entgegnete Brandt zum ersten Mal an diesem späten Nachmittag leicht unwirsch, unter anderem, weil er von Andrea in seinem Gedankengang unterbrochen worden war.
    »Also gut, inwiefern gehören sie zur
klassischen
Hartz- IV -Schicht? Wie sieht die denn aus? Versoffen, bekifft, vulgär …«
    Wieder ging Brandt auf die Provokation nicht ein, sondern antwortete ruhig und gelassen: »Die Zeidlers haben keine Arbeit, kaum Geld, sie sind nicht versifft, ganz im Gegenteil, die Wohnung war die beiden Male, wenn ich hinkam, picobello in Schuss. Die würden mit Sicherheit gerne raus aus dem Milieu, aber wie es aussieht, gibt ihnen keiner mehr eine Chance. Mit Mitte vierzig bist du eben raus, das ist die brutale Wahrheit in unserem Land … Sie sind aber gläubige Christen, sie besuchen jeden Sonntag die Kirche. Im Übrigen auch diese junge Dame.« Er deutete auf die Tote.
    »Sie ging in die Kirche?«, fragte Andrea mit gerunzelter Stirn. »Das ist selten geworden bei jungen Leuten, heißt es. Na ja, Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel.«
    »Mag sein. In jedem Fall war Sonntag ihr Familientag, Anika kam immer gegen neun, dann ging sie mit ihren Eltern und dem Bruder in die Kirche, sie aßen gemeinsam zu Mittag und verbrachten in der Regel auch den Nachmittag zusammen, bis sie abends wieder zu sich nach Hause fuhr. Eine heile Welt, bis auf den materiellen Notstand natürlich.«
    »Okay, und weiter? In diesem Land leben Millionen Menschen an oder unterhalb der Armutsgrenze. Vor allem die Kinderarmut nimmt rasant zu.«
    »Nichts und weiter. Wo sind die Klamotten und Wertsachen?« Bewusst wechselte er das Thema, denn er wollte sich mit Andrea nicht auf eine Grundsatzdiskussion über die Armut in Deutschland einlassen, zu oft schon war er in den letzten Jahren damit konfrontiert worden.
    »Noch hier, werden aber gleich von der KTU abgeholt. Willst du sie vorher noch mal sehen?«
    »Ich wäre dir sehr dankbar«, antwortete er und merkte dabei, wie er zunehmend gereizter wurde.
    Sie
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