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Teufelsleib

Titel: Teufelsleib
Autoren: Andreas Franz
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führte ihn zu einem Tisch, wo jedes einzelne Kleidungsstück und Accessoire bereits separat eingetütet und beschriftet worden war, die erste Handlung nach Einlieferung der Toten. Brandt warf einen Blick darauf, nahm die Tüte mit der Uhr in die Hand und sagte lapidar: »Und so ein Teil kostet sechzigtausend? Da kann ich auch nicht mehr als die Zeit ablesen.«
    »Du bist ein Banause. Da ist auch noch das winzigste Teil handgefertigt, so was hat nun mal seinen Preis … Und es ist doch immerhin ein schönes Accessoire. Schön und teuer.«
    »Nee, nur schön teuer. Für kein Geld der Welt würde ich mir so was kaufen. Wie auch immer, sie hatte die Uhr um, und was sagt uns das? Dass du vermutlich recht hast mit deiner Einschätzung.«
    »Oh, du gibst mir recht?«, fragte sie süffisant lächelnd. »Das ist ja fast schon ein Ritterschlag.«
    »Ja, ausnahmsweise. Sie hatte entweder einen sehr begüterten Freund, oder sie ging tatsächlich anschaffen. Was meinst du?«
    »Darüber zerbrich du dir mal den Kopf, und lass mich wissen, wenn du was rausgefunden hast. Du solltest drüber nachdenken, dass sie erst Anfang zwanzig war, als sie übern Jordan geschickt wurde. Da stellt sich mir doch unwillkürlich die Frage, wann hat sie angefangen, aus ihrem tristen Leben auszubrechen, und wie hat sie es geschafft, sich quasi eine zweite Identität zuzulegen?« Sie blickte auf die Uhr und meinte: »So, und wenn’s weiter nichts gibt, ich habe zu tun, die Kleine muss aufgemacht werden, Kollege Bock wird gleich hier sein, zusammen mit einer – Staatsanwältin …« Sie ließ den Satz unvollendet, nicht ohne ihm ein weiteres, äußerst süffisantes Lächeln zukommen zu lassen.
    »Elvira ist dabei?«
    »Was für ein kluges Köpfchen du doch bist. Noch was?«
    »Nein. Wann kann ich mit dem Ergebnis rechnen?«
    »Morgen, vielleicht auch erst übermorgen. Und jetzt raus, ich muss mich physisch und mental auf die Obduktion vorbereiten.«
    Brandt verabschiedete sich. In seinem Wagen blieb er noch eine Zeitlang hinter dem Lenkrad sitzen und dachte nach. Er lehnte den Kopf gegen die Kopfstütze und schloss die Augen. Er war so in Gedanken versunken, dass er kaum ein Geräusch um sich herum wahrnahm.
    Anika Zeidler, eins dreiundsechzig groß, dunkelbraune Haare, braune Augen, sehr schlank, beinahe fragil und dabei eine überaus ansehnliche Figur, wie Brandt sich in der Rechtsmedizin hatte vergewissern können, als sie nackt auf dem kalten Seziertisch lag. Eine junge Frau, die Träume und Hoffnungen gehabt hatte … wie alle Frauen in ihrem Alter. Die aber, so schien es, sich nicht mit ihrem Leben im sozialen Abseits abfinden wollte und offenbar einen Weg gefunden hatte, rechtzeitig einer tristen Zukunft zu entfliehen. Doch die Flucht hatte viel zu früh geendet. Eine junge Frau, die so etwas Zerbrechliches und Unschuldiges an sich hatte und die, da gab er Andrea recht, offensichtlich ein Doppelleben geführt hatte. Und da war noch etwas, was ihn irritierte, ihm fast Kopfzerbrechen bereitete – ihr Gesicht kam ihm bekannt vor, und es machte ihn wütend, nicht zu wissen, woher. Dabei hätte er Stein und Bein schwören können, sie schon einmal gesehen zu haben. Aber er konnte sich natürlich auch täuschen, denn sie sah wie so viele hübsche junge Frauen aus.
     
    In den ersten Tagen liefen die Ermittlungen auf Hochtouren, doch was immer die Beamten auch taten, sämtliche Ansätze mündeten in einer Sackgasse. Es fand sich weder ein vermögender Freund noch der geringste Hinweis, Anika könnte als Prostituierte gearbeitet haben, auch wenn es nur die beiden Möglichkeiten zu geben schien, womit sie ihre aufwendige Kleidung und den Schmuck finanziert hatte. Es sei denn, sie hatte im Lotto gewonnen und niemand, nicht einmal ihre Familie durfte davon wissen. Doch auch eine Überprüfung in diese Richtung verlief negativ.
    Als Brandt drei Tage nach dem Mord noch einmal in Anikas Wohnung war, dachte er unwillkürlich an das erste Mal, als er hier gewesen war. Das Apartment war sauber und aufgeräumt gewesen. Viel zu sauber und viel zu aufgeräumt, so, als wäre Anika nur selten hier gewesen, als diente diese Wohnung als Alibi für ihre Familie und mögliche Freunde von früher. Dieser Umstand fiel ihm erst jetzt auf, dabei hätte er schon beim ersten Betreten stutzig werden müssen. Ihm kamen Andreas Worte in den Sinn, die sagte, dass es vielleicht eine zweite Wohnung geben könnte. Je länger er darüber nachdachte, desto plausibler erschien
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