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Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Titel: Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)
Autoren: Annelie Wendeberg
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ausgeübte Druck zu einem Auswurf pinkfarbenen Schaums aus Mund und Nase der Leiche. Mein Körperbau war für eine Obduktion nicht gerade ideal. Besser gesagt, mir fehlte die Statur eines Fleischers. Ächzend hob ich die Lungenflügel in eine Schale und schnitt sie auf.
    »Wie vermutet – der Mann ist nicht ertrunken«, bemerkte Holmes, da die Lungen nicht mit Wasser gefüllt waren.
    »Sie enthalten auch nur kleine Mengen an Staub und Ruß, was Ihre These unterstützt, der Mann habe sich den größten Teil seines Lebens auf dem Lande aufgehalten«, fügte ich hinzu. Wäre er sein Leben lang ein Londoner gewesen, wären seine Lungen grau.
    Dass er Cholera im Endstadium gehabt hatte, war eindeutig. Nicht nur die Haut verriet es, auch war seine Leber verkleinert und hell. Der Darm war, bis auf kleine Mengen schmutzig-grüner Flüssigkeit, leer.
    Alle Organe wanderten in separate Schalen. Ich schwitzte und keuchte. Inzwischen wirkte die Schürzewie ein Treibhaus, und meine Hände fühlten sich in den Handschuhen an wie glitschige Fische.
    Holmes beugte sich dicht über den Leichnam und starrte in das halb leere Abdomen. Vielleicht fand er Obduktionen unterhaltsam.
    Bei der Untersuchung des Mundes entdeckte ich die geschwollene Zunge, an deren Rändern Abdrücke der Zähne zu sehen waren. Ich zog die Reste der Augenlider auseinander. Nach kurzem Nachdenken wandte ich mich Holmes zu. »Was halten Sie davon?«
    Er starrte in die milchblauen Augen. Eine der Pupillen war so klein wie ein Stecknadelkopf, die andere erstreckte sich fast über die gesamte Iris.
    »Gift, oder ein Schädeltrauma?«, schlug er vor.
    »Mhmm …«, überlegte ich und untersuchte noch einmal den Kopf des Mannes, konnte allerdings immer noch keine Spuren einer Gewalteinwirkung entdecken.
    Ich nahm ein kleineres Messer und machte einen Schnitt entlang des Haaransatzes und einen weiteren von dort über seinen Kopf bis nach hinten. Dann zog ich die Haut seitlich über den Schädelknochen und vorn über sein Gesicht hinunter. Meine Hände arbeiteten präzise, aber mein Verstand rebellierte. Einem Menschen die Haut vom Gesicht zu ziehen war eine weitere Sache, an die ich mich nie gewöhnen würde.
    Mit einer Säge ritzte ich die Schädeldecke rundum ein. Dann nahm ich einen kleinen Meißel und einen Hammer, um den Knochen entlang der entstandenen Rille aufzubrechen. Können und Fingerspitzengefühl waren notwendig, damit nur der Schädel gebrochen wurde, das Nervengewebe darunter aber unbeschädigt blieb.
    Die obere Hälfte des Schädels ließ sich wie bei einem Frühstücksei entfernen. Das Gehirn erschien auf den ersten Blick normal. Ich entfernte die rechte Hirnhälfte und schnitt sie in Scheiben, nahm Holmes die Lupe aus der Hand und beugte mich über die Gehirnschnitte. Kleine, mit Flüssigkeit gefüllte Läsionen zeigten sich.
    »Eigenartig!« Ich richtete mich auf und warf das Vergrößerungsglas zur Seite. Es schlug mit einem leichten »Klonk« auf der Marmorplatte auf. »Oh, Verzeihung«, murmelte ich.
    Auf die Platte gestützt schob ich alle anderen Gedanken beiseite und ließ meinen Blick über den Leichnam wandern, ging die Informationen Stück für Stück durch und hoffte, dass sich ein stimmiges Bild ergeben würde. Was hatte ich übersehen?
    Ungeduldig streifte ich die Handschuhe ab und presste meinen Finger in die Armbeuge des Mannes. Die Einstiche fühlten sich fester an als das umliegende Gewebe. Ich schnitt sie durch und zog die Haut auseinander. Die Vene schien leicht entzündet zu sein.
    »Sieht so aus, als ob dem Mann eine Nadel eingeführt und dann dort belassen worden wäre«, sagte ich ziemlich ratlos.
    »Was Fesseln notwendig gemacht hätte«, schloss er.
    Der Magen des Mannes lag in einer Schale neben mir. Ich öffnete das Organ, und eine weitere Überraschung präsentierte sich uns: halb verdautes Brot und geräucherter Fisch, wahrscheinlich Aal, schwammen fröhlich aus der Öffnung.
    »Der Mann hat gegessen, obwohl er im Cholera-Endstadium absolut keinen Appetit hätte haben dürfen. Und trotzdem hat er eine erhebliche Menge zu sich genommen! Ich habe keine Anzeichen von Zwangsernährung in seinem Mund oder der Speiseröhre entdeckt. Eigenartigerweise hat sich sein Magen etwa zwei bis drei Stunden vorseinem Tod krampfartig geschlossen. Obwohl halb verdaut, hat es keine der Speisen in den Darm geschafft.«
    Ich presste die Hände auf die Marmorplatte, als könne ich so eine Lösung erzwingen. »Mr Holmes, wäre es letztendlich
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