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Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Titel: Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)
Autoren: Annelie Wendeberg
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mit Sicherheit keinem Laien erlauben, der Obduktion eines Cholerafalles beizuwohnen.«
    »Ich hingegen bin mir sicher, dass Sie das tun werden.« Sein Blick teilte mir mit, was ich zu tun hatte, wenn ich mein Geheimnis für mich behalten wollte.
    Nach einer Stunde muffigen Schweigens erreichten wir das Guy’s. Beim Pförtner bat ich um eine Krankenschwester und eine Bahre, um die Leiche in die Anatomie zu schaffen, ein kleines Gebäude aus roten Ziegelsteinen, an den sich ein mit diversen Marmortischen ausgestatteter Anbau anschloss.

    Wir hatten den Raum für uns, da am Samstag keine Lehrveranstaltungen dort stattfanden. Was auch bedeutete, dass ich den Raum mit Rauch aus Säurekonzentrat desinfizieren konnte, ohne die Sache mit neugierigen Studenten diskutieren zu müssen.
    Im Anschluss daran würde ich einen Bericht für das Innenministerium verfassen, mit der Kernaussage, dass vorerst keine Gefahr der Übertragung von Cholera über die Trinkwasserversorgung Londons bestehe.
    Gibson war nicht besonders erpicht darauf, mir zuzusehen, wie ich eine Wasserleiche aufschnitt, und verabschiedete sich. Ich stattete Holmes und mich mit Gummischürzen, Gummihandschuhen und Masken aus. Bei Letzterem handelte es sich um ein einfaches, doppellagiges Stoffteil, das ich für solche Gelegenheiten entwickelt hatte. Mit der Maske über Mund und Nase konnte sich der Mann, der die Obduktion durchführte – oder in meinem Fall die Frau –, nicht mit gefährlichen, von der Luft übertragbaren Keimen infizieren. Bei dem Gedanken, dass der Mann neben mir mein Geheimnis kannte, wurde mir übel.
    »Mr Holmes, darf ich Ihnen vorschlagen, demnächst einen Zirkus zu besuchen, wenn Sie Kuriositäten bewundern möchten?«, sagte ich und bedauerte die abfällige Bemerkung noch im selben Moment.
    Er hustete und erwiderte: »Ich vermute, ich sollte mich entschul …«
    »Um ehrlich zu sein, ist es nicht das, was mir Sorgen bereitet!« Meine Hand knallte auf die Marmorplatte, und ich wunderte mich selbst über meinen Mangel an Beherrschung. »Ich denke ernsthaft darüber nach, Sie zu erpressen. Bedauerlicherweise haben Sie einen sehr scharfen Verstand, und meine Chancen, ein solches Spiel zu gewinnen oder überhaupt einen dunklen Fleck zu finden, der Ihr Ansehen gefährdet, tendieren gegen null.« Ich atmete einmal tief durch und entschied mich, vorerst den Mund zu halten. Zumindest, bis meine Hände aufhörten zu zittern.
    Holmes lachte nur. »Ich nehme an, Ihr Betrug ist moralisch gerechtfertigt, obwohl er einen öffentlichen Aufschrei auslösen würde, wenn er ans Licht käme. Glücklicherweise hat jeder von uns das Recht auf ein persönliches Urteil. Glauben Sie mir, Dr. Kronberg: Sie der Polizei oder irgendwem anderen gegenüber zu verraten, reizt mich nicht im Geringsten.«
    Ich lugte über den Rand meiner Maske und sah, dass er es ernst meinte. Dennoch wollte meine Anspannung nicht weichen. Um die Aufmerksamkeit wieder auf den Fall zu konzentrieren, nickte ich in Richtung der Leiche. Wir schlugen die Decke zurück und hievten sie auf die Steinplatte.
    Mit einer Pinzette sammelte ich Stückchen der Flora und Fauna ein, die sich in der Kleidung des Toten verfangen hatten, und legte sie in eine kleine Schale. Dann schnitt ich die Jacke des Mannes mit einer Schere auf.
    Weder an den Knöpfen seines Hemdes noch der Hose befanden sich schmierige Fingerabdrücke. Danach trennte ich den Rest seiner Kleidung auf und fand nicht nur Fesselabdrücke an den Hand-, sondern auch an den Fußgelenken; außerdem noch Nadeleinstiche in seiner linken Armbeuge.
    Ich zeigte auf die Punkturen. Holmes nickte und suchte jeden Quadratzentimeter der neu freigelegten Haut mit den Augen ab.
    »Die Einstiche sehen professionell aus, nicht wie die Löcher, die sie den Leuten in den Opiumhöhlen stechen.Er muss einen Arzt besucht haben. Wie ungewöhnlich«, stellte ich fest, während ich nach dem größten Skalpell griff.
    Da ich Holmes’ Standhaftigkeit im Hinblick auf das Sezieren eines Menschen nicht kannte, behielt ich ihn im Auge. Ich schnitt dem Toten ein großes Y in den Torso, von den Schlüsselbeinen bis hinab zum Schambein. Holmes schaute vollkommen ungerührt zu. Erleichtert, mich auf die Arbeit konzentrieren zu können, sägte ich um das Brustbein herum und entfernte es. Ein übler Geruch verbreitete sich und erinnerte mich einmal mehr daran, dass ich mich nie an den Gestank des Todes gewöhnen würde.
    Während ich die Lungen entfernte, führte der
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