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Teufelsengel

Teufelsengel

Titel: Teufelsengel
Autoren: Monika Feth
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nicht weit war.
    Sie dachte an den Toten aus dem See. Was für ein schreckliches Ende, bei dieser Kälte zu ertrinken.
     
    Er streifte sich das Messgewand über.
    Raschelnde Seide.
    Schwarz.
    Der November war seit jeher der Monat der Toten.
    Auch sein Haar war schwarz. Einzig sein Gesicht und seine Hände waren hell.
    Er sah sich gern so.
    Todesengel, dachte er.
    Und begann leise zu summen.
    Eine wehmütige Melodie.
    Das Leben war ein einziger Kampf. Gegen das Böse, das überall lauerte. In den schlechten Filmen, die Gewalt verherrlichten. In den Büchern, die die Wahrheit verschleierten. In den Bordellen der Städte und Dörfer. Den Bars und Striplokalen. In den Machtzentren der Welt. Auf den Straßen. In den Wohnungen und den Herzen der Menschen.
    Der Teufel hatte sein Gift versprüht. Er hatte blühende Pflanzen ausgerupft und schweflige Ödnis hinterlassen. Er hatte den Menschen die Seele aus dem Leib gerissen und ihnen stattdessen einen Stein eingepflanzt.
    Und niemand sah die Zeichen.
    Dabei war die Zeit längst gekommen, dem unheiligen Treiben Einhalt zu gebieten.
    Licht ins Dunkel zu bringen.
    Dem Satan die gestohlenen Seelen zu entreißen.
    »Ich bin gekommen, euch zu erretten«, murmelte er.
    Die Last lag schwer auf seinen Schultern.
    Er war der Fackelträger in finsterer Zeit. Aber würde er den Stürmen trotzen können?
    Als er sich von seinem Spiegelbild abwandte, scheuerte seine Kleidung auf der Haut, und er unterdrückte ein Stöhnen.
    Da lag sie noch, die Rute, mit der er sich gegeißelt hatte. Sie hatte ihm tief ins Fleisch geschnitten. Er würde sich um die Wunden kümmern müssen.
    Später.
    Nachdem er allen seinen Rücken gezeigt hatte.
    »Herr«, sagte er. »Ich bin dein.«
    Doch heute antwortete der Herr ihm nicht.
     
    Pia tunkte die Bürste ins Wasser und schrubbte weiter. Der Küchenboden war mit groben Fliesen belegt, die das gesamte Farbspektrum warmer Braun- und Rosttöne abdeckte. Wie in  einem dieser bretonischen Bauernhäuser, die man für die Ferien mieten konnte. Pia hatte als Kind einmal mit ihren Eltern einen Sommer in einem solchen Haus verbracht.
    Damals. Als die Welt noch klar und geordnet war.
    Als nichts ihr wirklich Angst machen konnte.
    Als die Eltern noch Riesen waren und unbesiegbar. Als sie Pia noch beschützt und behütet hatten.
    Pias Hände waren rot und fast schon ein bisschen angeschwollen. Sie reagierte allergisch auf Seifenlauge, doch sie durfte bei dieser Arbeit keine Gummihandschuhe tragen. Er hatte es ihr verboten.
    Auf den Knien, hatte er befohlen. Bis ich dir sage, dass du fertig bist.
    Wie lange schrubbte sie schon? Drei Stunden? Vier?
    Sie hatte kein Gefühl mehr für die Zeit, die vergangen war.
    Ihre Knie brannten. Ihr Rock war klatschnass.
    Verdorben. Nie wieder würde sie ihn tragen können. Dabei war er der einzige noch halbwegs schöne, den sie besaß.
    Sie hatte sich nicht umziehen dürfen.
    Lerne Demut!
    Ihre Nase lief. Sie hatte kein Taschentuch bei sich und wischte sich den Rotz mit dem Rocksaum ab. Jetzt war sowieso schon alles egal. Die Haare klebten ihr im Nacken. Tränen hatten kribbelnde Spuren auf ihren Wangen hinterlassen.
    Sie wagte nicht, sich zu kratzen. Sie durfte nichts tun, was sie von der Arbeit abhielt.
    Hier hatten die Wände Augen.
    Lerne Gehorsam!
    Deshalb hatte er sie zu sich geholt. Um ihr Gehorsam beizubringen. Und Demut. Und all die anderen Tugenden, die sie nicht besaß.
    Dein Herz ist voller Eitelkeit.
    Seine Stimme klang traurig, wenn er so etwas sagte. Und etwas schwang in ihr mit, das sie vor Furcht erbeben ließ. Es war unklug, ihn zu reizen und seinen Zorn auf sich zu ziehen.
    Sie wusste bloß nicht, wie sie es vermeiden konnte.
    Er verbot ihr, sich zu schminken. Er untersagte ihr, sich hübsch anzuziehen.
    Du wirst lernen, eine Dienerin des Herrn zu sein.
    Pia kannte dieses Wort nur noch aus alten Büchern. Sie las leidenschaftlich gern. Deshalb hatte er ihr auch die meisten ihrer Bücher genommen
    Hast du mich verstanden?
    Ja, Vater.
    Sie alle mussten ihn Vater nennen. Selbst diejenigen, die älter waren als er. Er war ihr Hirte. Er führte sie durch jedes noch so finstere Tal. Sie brauchten sich nicht zu fürchten.
    Sagte er.
    Aber Pia fürchtete sich. Sie hatte eine Angst, so groß, dass sie sich ihr Ausmaß nicht einmal vorstellen konnte. Eine Angst, höher als der höchste Berg. Fest und massiv und unverrückbar.
    Wie sollte sie die bewältigen?
    Das war nicht immer so gewesen.
    Anfangs hatte sie ihn sogar
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