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Teufelsengel

Teufelsengel

Titel: Teufelsengel
Autoren: Monika Feth
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Nacken streiften, sobald sie sich bewegte. Zudem war dies die absolut finsterste Ecke in diesem ohnehin sehr düsteren Café.
    Aber sie würde halbwegs ungestört nachdenken können. Das gelang ihr in der Redaktion nur selten. Da war ein ständiges Kommen und Gehen, ein Klingeln von Telefonen und ein Summen von Stimmen. Da gab es keine ruhige Nische.
    Irgendwann hatte Romy das Alibi für sich entdeckt, ein Bistro, das von einem schwulen Paar geleitet wurde, Giulio und Glen, die beide behaupteten, ihren ursprünglichen Taufnamen zu tragen und nicht auf Wohlklang geschielt zu haben. Doch das behaupteten sie von ihrer Haarfarbe auch, obwohl jeder sehen konnte, dass Siegfried und Roy dafür Pate gestanden hatten.
    Man konnte im Alibi stundenlang vor einem einzigen Cappuccino sitzen, ohne zum Verzehr genötigt zu werden. Der Boden war schwarz lackiert, an den blutrot gestrichenen Wänden hingen verrückte Bilder, die zum Verkauf angeboten wurden, nackte, verdrehte, signalfarbene Leiber, in deren Haaren Vögel nisteten, aus deren Wimpern Blätter sprossen und zwischen deren Zehen Käfer und Hummeln hausten.
    An einer Wand standen Bücherregale, vollgestopft mit zerlesenen, teilweise arg zerfledderten Kriminalromanen, die dem Alibi seinen Namen gegeben hatten. Es war erlaubt, sogar erwünscht, sich daraus zu bedienen. Man konnte ein Buch mit nach Hause nehmen, um es zu Ende zu lesen, und später zurückbringen, durfte es jedoch auch behalten, solange man es durch ein anderes ersetzte.
    Die langbeinigen Mädchen, die hier bedienten, blieben nie lange. Kaum hatte man sich an die eine gewöhnt, wurde sie auch schon von einer anderen abgelöst. Es waren Paradiesvögel, die sich für eine Weile niederließen, um dann in wärmere Gefilde weiterzufliegen.
    Romy bestellte sich einen Cappuccino und ein Mineralwasser und packte ihren Laptop aus.
    Gleich am ersten Tag bei der Zeitung hatte sie damit angefangen, regelmäßig ihre Gedanken und Beobachtungen zu notieren. Sie verfasste Texte zu allen möglichen Themen, manchmal ausgefeilt und so gut wie druckreif, manchmal unfertig oder auch nur in Form bloßer Gedankensplitter. Sie sammelte Zitate, Zeitungsausschnitte, Fotografien und Einkaufsquittungen, ohne zu wissen, wann und wofür und ob überhaupt sich das alles jemals verwenden lassen würde.
    Meistens schrieb sie an ihrem Laptop. War sie ohne ihn unterwegs, was selten vorkam, benutzte sie eines der Notizbücher, die sie wie unter Zwang ständig kaufte und von denen sie das aktuelle immer mit sich herumschleppte. Bei Gesprächen verwendete sie gern das Diktiergerät, das sie sich vor kurzem zugelegt hatte. Zur Not taten es aber auch Zettel, die sie später in das Notizbuch einklebte, genau wie die Zeitungsausschnitte, Fotografien und Quittungen.
    Sie nannte diese Form des Tagebuchs, das ja streng genommen gar keines war, ihr Schmuddelbuch.
    Jedes Mal, wenn sich die Tür öffnete, strömte kalte Luft  herein. Das Wetter hatte sich verändert. Die Temperatur war über Nacht um zehn Grad gefallen. Leichter Schneeregen ging aus dem braungrauen Himmel nieder. Die Häuser waren in Grau getaucht. Selbst das Licht der Autos wirkte schmutzig. Romy wickelte sich den Schal fester um den Hals und zog die Stulpen, die sie in den Wintermonaten meistens trug, ein Stück weiter über die Finger. Dann fing sie an zu schreiben.
     Fühlinger See. Leiche: männlich, zweiundzwanzig Jahre alt.
    Tatort aufsuchen. Informationen über das Opfer beschaffen. Umfeld kennenlernen.
    Vierter Mord.
    Wer waren die früheren Opfer?
     »Hi, Süße!«
    Der Typ, der zu dieser Stimme gehörte, war Romy von ganzem Herzen zuwider, aber er arbeitete als Lokalredakteur beim Kölner Anzeiger, kannte Gott und die Welt und war einer von den Leuten, mit denen man es sich besser nicht verscherzte. Sein Kopf war eine Quelle nützlicher Informationen, und obwohl Romy sich dafür verabscheute, nutzte sie die Schwäche, die er anscheinend für sie hegte, gnadenlos aus.
    »Hi, Ingo.« Das Süße wollte sie ihm heute durchgehen lassen, und dass er sich unaufgefordert zu ihr an den Tisch setzte, ebenfalls. Der Artikel über den Toten im Fühlinger See stammte aus seiner Feder oder vielmehr aus seinem Computer. Der Himmel hatte ihn im rechten Moment ins  Alibi geschickt.
    Er bestellte sich ein Käse-Schinken-Baguette und einen doppelten Espresso, sah der Bedienung lüstern hinterher, lehnte sich dann zurück und musterte Romy mit einem langen, forschenden Blick.
    »Wollten wir
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