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Teufelsengel

Teufelsengel

Titel: Teufelsengel
Autoren: Monika Feth
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hieß, gehörte mit Sicherheit dazu. Er war durch Zufall hier gelandet, als er ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft gesucht hatte.
    So war er an Tonja und Helen geraten.
    Und so war er Romy begegnet, die im selben Haus wohnte, hoch oben unter dem Dach.
    Es hatte eine Reihe von Mitbewerbern gegeben, aber er hatte sich von der ersten Sekunde an prächtig mit Tonja und Helen verstanden und sie sich mit ihm. Noch während der Besichtigung waren sie sich einig geworden.
    Vier Wochen später war er eingezogen. Zeitgleich hatte er mit seiner Banklehre begonnen.
    Mit zwanzig Jahren war er keineswegs der älteste Auszubildende. Doch alle in der Berufsschule kamen ihm jünger vor, manche wie halbe Kinder. Sie schnipsten Papierkügelchen durch die Gegend, spielten den Lehrern alberne Streiche, schickten mit geheimnisvoller Miene Zettelchen auf die Reise.
    Sein unstetes Leben hatte Calypso Erfahrungen sammeln lassen, von denen diese Kindsköpfe keine Ahnung hatten. Ein knappes Jahr als ungelernter Arbeiter im Eisenwerk in Brühl. Viel Knete, weil er sich freiwillig für jeden Schichtdienst hatte einteilen lassen. Knete, die ihm allerdings zwischen den Fingern zerronnen war.
    Ein weiteres Jahr unterwegs. England, Schottland, Italien.
    Und nie auch nur einen Cent von seinen Eltern.
    Die wollten wissen, in was sie investierten. Das Medizinstudium des Bruders beispielsweise war etwas, für das es sich lohnte, sich »krummzulegen«. Auch die jüngere Schwester stand vor einer vielversprechenden Laufbahn. Sie würde nach dem Abitur BWL studieren und später in der Firma des Vaters als Betriebsprüferin arbeiten.
    »Die Welt steht dir offen.« Das war das Credo der Eltern. Und sie schienen nicht mal zu merken, wie mikroskopisch klein diese Welt war, in der sie sich bewegten.
    Lauter vorgefertigte Pfade. Calypso konnte sich nicht vorstellen, sein Leben so vorauszuplanen. Er schaffte es ja nicht mal, sich das Leben überhaupt vorzustellen.
    Als er kurz vor dem Abi die Schule hinwarf, um endlich wieder Luft zu kriegen, brach für seine Eltern die Welt zusammen, die sie ihm angeboten hatten.
    Das erste Mädchen, in das er sich unterwegs verliebte, nannte ihn Calypso. Er schlüpfte in den neuen Namen wie in ein Kleidungsstück, das eigens für ihn geschneidert worden war, und zum ersten Mal fühlte er sich wohl in seiner Haut.
    Wieso war er schließlich doch in dieser verdammten Bank gestrandet?
    Aus Unachtsamkeit.
    Weil er begriffen hatte, dass er immer noch nicht lebte, was er leben wollte. Und weil das, was ihm vorschwebte, so unklar  war wie die Umrisse der Dinge hinter einem dampfbeschlagenen Saunafenster.
    Genau an diesem Punkt hatte sein Vater zugeschlagen und seine Beziehungen spielen lassen.
    Inzwischen ahnte Calypso, wohin er wollte. Aber er war ängstlich geworden. Wie oft konnte man aussteigen, ohne jedes Mal einen Teil von sich selbst zu verlieren?
    Der Schneeregen hatte nachgelassen und Calypso streifte die Kapuze ab. Jeans und Sweatshirt, darin erkannte er sich. Die Anzüge und die gebürsteten Lederschuhe waren seine tägliche Verkleidung. Er atmete auf, wenn er sich abends endlich umziehen konnte.
    Da war das Alibi. Er stieß die Tür auf. Es war knallvoll, jeder Tisch besetzt. Stimmenlärm schlug ihm entgegen. Es duftete nach Kaffee und Pizzabaguette. Ganz hinten an der Garderobe entdeckte er Romy. Sie saß an ihrem Laptop und schrieb.
    Als sie aufsah, begegneten sich ihre Blicke über den weiten Raum hinweg. Romy begann vor Freude zu strahlen.
    Ich liebe dich, dachte Calypso. Ich liebeliebeliebe dich.
    Sie stand auf und schmiegte sich in seine Arme. Es störte sie nicht, dass seine Jacke nass war und ein bisschen nach Hund roch und ein bisschen nach dem Rauch aus den Schornsteinen draußen. Dann bog sie den Kopf zurück und schaute ihn an. »Solltest du nicht in der Bank sein?«
    Er nickte und zog die Jacke aus. Setzte sich zu ihr an den Tisch. Lenkte sie mit einer Frage ab.
    »Was schreibst du da?«
    Ihre Augen leuchteten vor Begeisterung, doch sie vergaß nicht, sich misstrauisch umzusehen und vorsichtshalber die Stimme zu senken, als sie antwortete.
    »Greg hat mir grünes Licht gegeben.«
    »Für diesen Mord am See?«
    Romy nickte. »Da steckt was drin, das spür ich.«
    Calypso hatte noch nichts gegessen. Er bestellte sich ein Omelette und eine Cola.
    Romys Faszination für dieses Thema knisterte zwischen i hnen.
    »Ich bin gerade dabei, mir zu überlegen, wie ich vorgehen, wo ich anfangen soll. Meine ersten
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