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Teufelsengel

Teufelsengel

Titel: Teufelsengel
Autoren: Monika Feth
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wetten. Er nahm den ersten Bissen und hätte fast gegrunzt vor Wohlbehagen.
    »Übrigens«, sagte er mit vollem Mund, »ich werde die Banklehre schmeißen.«
     

Kapitel 2
    Schmuddelbuch, Dienstag, 11. November
     Lange mit Cal geredet. Bis draußen die ersten Motorengeräusche ertönten. Und dann die letzten beiden Stunden der Nacht tief und fest geschlafen. Fühl mich irgendwie abseits von allem. Hellhörig. Hellfühlig (gibt es das?). Hellsichtig. Die Geräusche sind nicht wie sonst, nicht so voll und prall. Sie sind wie eine Erinnerung an Geräusche, die man einmal gehört hat, früher.
    Cal will Schauspieler werden.
    Ich hab immer schon gewusst, dass er Talent hat. Wer liest schon freiwillig Dramen von Schiller und Kleist?
    Mein Plan für heute: Rausfinden, wer die drei weiteren Toten dieses Sommers waren. Klingt einfach. Ist es aber nicht.
       Romy hörte das Gurren der Tauben vor dem Küchenfenster. Es war ein junges Vogelpaar mit blaugrauem Gefieder und runden, glatten Köpfen, das sich auf den Fensterbänken, dem Dach und den Balkonen des Hauses eingerichtet hatte. Romy mochte ihre stillen, sanften Laute und ihren freundlichen Blick. Da konnten die Taubenhasser hundertmal behaupten, Tauben seien gefährliche Krankheitsüberträger, sozusagen die Ratten der Vogelwelt.
    Cal war schon in der Bank. Romy musste erst um zehn in die Redaktion. Greg führte kein allzu strenges Regiment. Ihm war wichtig, dass die Artikel pünktlich abgeliefert wurden und überzeugten. Wann sie geschrieben wurden und wo, war ihm egal.
    Während Romy frühstückte, warf sie einen Blick in den  Kölner Anzeiger. Ingo hatte den Aufhänger für das Magazin geschrieben, eine tägliche Beilage mit Themen, die immer einen großen Zusammenhang hatten, diesmal die Mode: Zum Sterben schön - Alltag eines Models.
    Gleich nach den ersten Sätzen hatte Ingo Romy an der Angel. Sie verschlang Wort für Wort. Als sie am Ende des Artikels angelangt war, empfand sie leises Bedauern. Sie hätte stundenlang weiterlesen können.
    Da war Ingo ein ausgezeichnetes Porträt gelungen. Mit einer für ihn absolut untypischen Feinfühligkeit hatte er die Sehnsüchte des Models beschrieben und sie der Kälte des Modemarkts gegenübergestellt. Er hatte gezeigt, wie die einzelnen Räder ineinander griffen, wie Agentur, Designer, Fotografen und Medien Einfluss nahmen auf ein Leben, das ein ehrgeiziges Mädchen sich lange erträumt hatte und das nun doch ganz anders war.
    Ingo. Derselbe Mann, der keine Gelegenheit verstreichen ließ, um einen seiner frauenfeindlichen Sprüche abzusondern. Der Mann, der den Begriff Macho erst mit Leben füllte. Der sämtliche Frauen anmachte, die bei drei nicht auf den Bäumen waren. Ausgerechnet Ingo schrieb sensibel beobachtend über Modediktat und Schlankheitswahn.
    Romy würde ihn später anrufen, um ihm zu gratulieren.
    Sie trank noch eine Tasse Kaffee, verrieb einen Klecks Gel in ihrem streichholzkurzen blonden Haar, bis es struppig in alle Richtungen abstand, schnappte sich ihre Tasche und verließ die Wohnung.
    Im Treppenhaus begegnete ihr C.C., der sie mit einem freundlichen Lächeln grüßte. Er war Mitte siebzig und sah aus wie der junge Charly Chaplin mit weißem Haar. Er hatte genau denselben eigentümlich watschelnden Gang.
    C.C. kam und ging freundlich und still. Vielleicht kannte er den Spitznamen, den die Hausbewohner ihm gegeben hatten, denn seine Aufmachung war jedes Mal dieselbe, als wollte er ihre Erwartungen nicht enttäuschen: Anzug, Mantel, Aktentasche, Stockschirm und Hut. Sein Lächeln hatte oft etwas Spitzbübisches, Eingeweihtes.
    Niemand wusste, wie er die Tage verbrachte. Keiner hatte bislang mehr als eine Handvoll Worte mit ihm gewechselt. Seine ganze Haltung signalisierte unmissverständlich den Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden, und den respektierten sie alle.
    Es war ein uraltes und ganz besonderes Haus mit besonderen Bewohnern, und Romy liebte es sehr. Sie hatte sich unter dem Dach eingerichtet, und die übrigen Hausbewohner waren ihre neue Familie. Das Leben hier war gut. Es ließ kaum Sehnsucht nach ihren Eltern aufkommen.
    Und wenn sie Björn vermisste, rief sie ihn einfach an, und sie unterhielten sich eine Weile. Wenn das nicht ausreichte, verabredeten sie sich und trafen sich in Köln oder Bonn, wo er Informatik studierte.
    Sie waren Zwillinge. Nachdem die Eltern ausgewandert waren, hatten die Geschwister sich darauf geeinigt, die Symbiose zu verlassen, in der sie ihre Kindheit verbracht
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