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Teufelsengel

Teufelsengel

Titel: Teufelsengel
Autoren: Monika Feth
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schaute sich um.
    Ein Altar. Eine Kanzel. Ein Beichtstuhl. Auf einer Empore eine Orgel. Und lange Reihen von Bänken.
    Unter den Bänken wäre sie zu leicht zu entdecken. Kanzel, Beichtstuhl und Empore konnten sich in ein Gefängnis ohne Ausweg verwandeln.
    Romy warf einen Blick in die Sakristei.
    Auch hier gab es kein Versteck, dem sie traute. Wie hatte sie sich nur entscheiden können, im Haus zu bleiben. Sie hätte in den Park laufen sollen. Doch nun war es zu spät.
    Lieber Gott! Wenn es dich gibt …
    Warum sollte Gott jemandem helfen, der nicht an ihn glaubte?
    Asyl?
    Ein Wort aus einem Film.
    Der Glöckner von Notre Dame.
    Vero würde niemanden Asyl ge …
    Romy fuhr herum.
    Der Glockenturm!
    Irgendwo musste eine Tür sein, die zum Glockenturm führte.
     
    Vero riss die Tür zum Seitenflügel auf. Er war sich jetzt ganz sicher.
    Romy kannte diesen Teil des Gebäudes, denn sie war in seinem Arbeitszimmer gewesen.
    Ein Tier auf der Flucht hält sich an die vertrauten Pfade.
    Er konnte sich nun Zeit lassen.
    Die Tür nach draußen war zugesperrt, wie jede Nacht.
    Das Mädchen saß in der Falle.
    Calypso und Ingo hatten einen strategisch günstigen Platz ausgewählt und ein gutes Stück abseits unter einer hohen Thuja Position bezogen. Von hier aus hatten sie einen Großteil der Gebäude im Blick.
    »Halt dich bloß zurück«, sagte Ingo leise. So oder ähnlich hatte er das schon ein paar Mal geäußert. »Die kriegen uns wegen Behinderung der polizeilichen Ermittlungsarbeit dran.«
    Es fiel Calypso schwer, seinem Rat zu folgen, aber er hatte keine Alternative. Das Anwesen war riesig. Wo sollte er anfangen zu suchen? Außerdem wollte er ja wirklich die Arbeit der Polizei nicht behindern.
    Er wollte nur eins: dass Romy gefunden wurde.
    »Okay«, sagte er, und seine Stimme bebte in der klirrenden Kälte.
     
    Bruder Arno war es gelungen, seine Mitbrüder um sich zu versammeln und das weitere Vorgehen mit ihnen zu besprechen.
    Romy würde nicht weit kommen, erklärte er ihnen. Das Tor war zu, die hohe Mauer, die das Anwesen umschloss, unüberwindbar. Sie brauchten sich also keine Sorgen zu machen.
    »Wir sollten nach oben gehen und warten, bis Vero das Mädchen zurückbringt«, sagte er. »Es hat keinen Sinn, wenn wir alle kopflos durch die Gegend laufen.«
    Bruder Benno unterstützte seinen Vorschlag. Er wollte sich um Bruder Matteo kümmern, der über Schmerzen in der Brust klagte. Der alte Mann hatte sich zu sehr aufgeregt. Er brauchte seine Herztropfen und Ruhe.
    Das überzeugte sogar Bruder Darius, den ewigen Zauderer. Wenig später brachen sie auf. Keiner von ihnen sprach auf dem Weg nach oben auch nur ein einziges Wort.
     
    Im Glockenturm war es stockfinster. Eine Wendeltreppe aus Stein führte in engen Windungen aufwärts. Durch schmale Luken im Mauerwerk strömte die Kälte von draußen herein. Und hin und wieder ein Streifen Mondlicht, flüchtig und blass.
    Die Glocken mussten sich rechts befinden, doch Romy konnte sie nicht erkennen. Vielleicht gab es auch gar keine mehr.
    Ihr wurde schwindlig. Sie nahm die Stufen langsamer. Hielt sich krampfhaft am Geländer fest.
    Ein lautes Geräusch ließ sie zusammenfahren.
    Ihr Herz blieb stehen.
    Doch dann hörte sie ein vertrautes Gurren. Sie hatte bloß eine Taube aufgeschreckt.
    Erst jetzt fragte Romy sich, was sie am Ende der Treppe erwarten mochte. Würde sie sich dort verstecken können?
    In diesem Augenblick schlug unten die Tür zu, und Romy wusste, sie war nicht mehr allein in diesem Turm.
     
    Sie war flink wie ein Wiesel.
    Aber das würde ihr nicht helfen.
    Wie es aussah, hatte sie zwei Alternativen. Sie konnte ihn nach unten begleiten - oder springen.
    Vero lächelte.
    Sie litt unter Höhenangst.
    Es war klar, wie sie sich entscheiden würde.
     
    Die Anstrengung raubte ihr den Atem und machte ihr die Beine schwer. Romy schaffte es kaum noch, die Füße zu heben. Verzweifelt stolperte sie weiter.
    »Sei nicht töricht«, hörte sie Veros Stimme. »Niemand entkommt seinem Schicksal.«
    Aber es ist nicht mein Schicksal, hier zu sterben. Heute zu sterben.
    Und durch dich.
    Die Verzweiflung verlieh ihr neue Kraft. Romy atmete tief und gleichmäßig, konzentrierte sich auf ihre Schritte, nahm Stufe um Stufe um Stufe.
    Die letzte führte sie ins Freie.
    Kalter Wind schlug ihr ins Gesicht. Romy drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Die Knie wurden ihr weich. Sie kniff die Augen zu.
    Mach die Augen auf! Such dir ein Versteck!
    Sie öffnete die Augen.
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