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Teufels Küche

Teufels Küche

Titel: Teufels Küche
Autoren: Ross Thomas
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Seine Dialoge hätte er Billy Wilder anbieten können. Die meisten sind so trocken, daß man beim Lesen Durst kriegt. Aber dafür gibt’s ja den Seven Layer Mint Frappé.
    Zur Charakterisierung seiner Figuren reichen ihm ein paar Pinselstriche: Kleidung, Haarfarbe, Hauptgesichtsausdruck und was für ein Auto einer fährt. Aber die wirkliche Person kommt erst nach und nach zum Vorschein, in minimalistisch gestrickten Gesprächen und scharf beobachteten Verhaltensweisen. Zur Lösung der Plots allerdings schickt Ross Thomas den Leser auf eine ausgedehnte Schnitzeljagd, so spärlich wie unerwartet fallen die Informationen aus den Seiten, während der Aufdecker sich in eine Verschwörung hineingraben muß oder der Intrigant sein Komplott Zug um Zug in Gang setzt. All dies ist gespickt mit Informationen über alte Möbel oder neue Vorstädte, über Autos oder erlesene Getränke. Und man verschlingt diese ablenkenden Nebensachen, weil Ross Thomas auch sie so unterhaltsam aufblättert wie der Reporter des New Journalism und nach vier, fünf Pirouetten zuverlässig wieder mitten in die nächste Katastrophenetappe seiner Helden schliddert.
    Am liebsten siedelt er seine Geschichten am Rande unserer Geographie an – in irgendwelchen entlegenen amerikanischen Städten, in Bad Godesberg oder gern auch in warmen Ländern, in denen moralische Trägheit, Korruption und Überraschungen noch opulenter gedeihen als in den USA, wo die meisten Menschen arm sind und die Reichen sich dennoch vierspurige Autostraßen bauen lassen, auf denen niemand fährt, und Flughäfen, auf denen einmal in der Woche eine Maschine landet, und Krankenhäuser mit modernster Technik, aber ohne Techniker, sie zu warten, und Hochsicherheitsmilitärkasernen, aus denen ständig die Waffen verschwinden.
    Ross Thomas’ Fachgebiet sind nicht etwa solche Blockbuster der Verschwörungstheorie wie die vor ein paar Jahren so beliebte Frage: »Hat die CIA das World Trade Center mit Wissen des Präsidenten in die Luft gejagt oder nur auf Befehl des militärisch-industriellen Komplexes?«
    Nein, Ross Thomas’ Komplotte sind meistens kleine Meisterstücke der Intrige, der Information, der Psychologie und der Chuzpe: kleine Fabergé-Eier des Verrats. Intrigen über Bande gespielt! Die Geschichte mit dem Amtsenthebungsverfahren gegen einen Präsidenten wegen zärtlichen Spielens mit einer Zigarre hätte ihm gefallen. Und nach 9/11 hätte er vermutlich sofort ein paar verschlagene Jungs losgeschickt, um im Irak die Jagd auf die Kohle vorzubereiten, die die unweigerlichen Halliburtons später unweigerlich einsacken würden. Aber da war Ross Thomas schon fünf Jahre tot.
    Jörg Fauser hat es mal auf diesen Nenner gebracht: Die Romane von Ross Thomas »immunisieren gegen ideologische Bakterien und möbeln die geistige Durchblutung auf«. Und er nannte das, was Thomas schrieb: demokratischen Realismus.
    »Wird Ihnen bei Ihrem Job nicht manchmal übel?« – »Doch. Aber gewöhnlich nehme ich was dagegen.« – »Und was nehmen Sie dagegen?« – »Geld.«
    Wir sind entrüstet über Ausländerfeinde, Skandale bei Siemens, Lustreisen bei VW, und weil der Bürger entrüstet ist, nimmt sich die Justiz seiner an und schimpft ein bißchen mit den Übeltätern. Von den wirklich üblen Sachen erfahren wir in der Regel nichts – und wollen es ja auch nicht. Deshalb gibt es in Deutschland fast keine investigativen Reporter mehr und auch fast keine Medien, die noch versuchen würden, Zusammenhänge herzustellen. In kurzen Infoquickies werden Affirmationen herübergereicht, die sich als Information tarnen, und falls der Konsument mal skeptisch wird, macht ihm das Medium gleich wieder gute Laune. Das heißt dann »Infotainment« und liefe in seiner konsequenten Durchführung darauf hinaus, daß Nachrichteninhalte sich demnächst nach ihren zu erzielenden Quoten richten.
    Alle EU-Politiker waren jedenfalls erstaunt und entrüstet über die heimlichen Gefangenenflüge der CIA? – Was für’n Quatsch! Air America, die Geisterlinie, taucht bereits in Teufels Küche auf, im Original also vor fünfundzwanzig Jahren. Auch sonst kann man sich allerhand erklären und aufhellen lassen von Ross Thomas: aufklären lassen also.
    Ross Thomas trainiert einem sogar das Gespür für politische Lügen, für schiefe Programme und scheinheilige Mimik. Man gewöhnt sich diesen klaren Blick an, wenn man aufhört, seine Augen mit Tränen des Selbstmitleids und der Furcht zu benetzen, nur weil man ahnt, daß
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