Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufels Küche

Teufels Küche

Titel: Teufels Küche
Autoren: Ross Thomas
Vom Netzwerk:
reiche junge Deutsche aus Düsseldorf, die versucht hatten, Afrika auf ihren BMW-Motorrädern zu durchqueren, wenige Kilometer vor der Hauptstadt aber eine Panne und kein Geld mehr gehabt hatten. Weil niemand so recht wußte, was man mit ihnen machen sollte, wurden sie ins Gefängnis gesperrt und vergessen. Die reichen jungen Deutschen schrieben jede Woche nach Hause und baten um Geld und eine Intervention der UN. Ihre Briefe wurden niemals abgeschickt.
    Vor allem weil er Französisch und Englisch gleich gut sprechen konnte, war Morgan Citron in die Position eines Sprechers der ausländischen Gefangenen gewählt oder vielleicht auch genötigt worden. Seine einzige andere Qualifikation war seine goldene Armbanduhr, eine teure Rolex, die er 1975 in Zürich auf Anraten eines gut informierten Barkeepers gekauft hatte, der der Meinung war, Gold könne sich als ein Anlageobjekt erweisen. Kurz bevor die Geheimpolizisten des Kaiser-Präsidenten in sein Zimmer im Intercontinental gekommen waren, um ihn zu holen, hatte Citron die Uhr vom linken Handgelenk abgenommen und unter der Socke um den rechten Fußknöchel gelegt.
    Das war vor annähernd dreizehn Monaten gewesen. Seither hatte er die goldenen Glieder des Metallarmbands, eines nach dem anderen, bei Sergeant Bama gegen zusätzliche Rationen Hirse und Maniok und Fisch eingetauscht. Selten, nicht öfter als einmal im Monat, konnte es auch mal etwas rotes Fleisch geben. Normalerweise Ziege. Ältere Ziege. Citron teilte alles mit den anderen Gefangenen und wurde deshalb nicht in seinem Bett ermordet.
    Das goldene Armband hatte ursprünglich aus sechsunddreißig Gliedern bestanden. In dreizehn Monaten hatte Citron sich von vierunddreißig getrennt. Er wußte, daß er sich bald auch von der Uhr selbst würde trennen müssen. Sobald das Gold alle war, würde auch seine Amtszeit als Sprecher schnell enden, dessen war Citron sich sicher. Falls er nicht aus seinem Posten verjagt werden würde, wollte er zurücktreten. Citron war einer von jenen, auf die politische Ämter keinerlei Anziehungskraft ausübten.
    Sergeant Bama sah zu, wie der magere junge Soldat den riesigen schwarzen Eisensteintopf in der Nähe der Bank absetzte, auf der Citron vor seiner Zelle im Schatten saß.
    »Da«, sagte Sergeant Bama. »Wie ich versprochen habe. Fleisch.«
    Citron schnüffelte und sah in den Topf. »Fleisch«, stimmte er zu.
    »Wie ich versprochen habe.«
    »Was für Fleisch?«
    »Ziege. Nein, keine Ziege. Vier junge Zicklein, zart und süß. Probier, wenn du willst.«
    Citron gähnte ausführlich, um sowohl seine Gleichgültigkeit zu demonstrieren als auch mit dem Feilschen zu beginnen. »Letzte Nacht«, sagte er, »konnte ich nicht schlafen.«
    »Ich bin untröstlich.«
    »Diese Schreie.«
    »Was für Schreie?«
    »Die Schreie, die mich nicht schlafen ließen.«
    »Ich habe keine Schreie gehört«, sagte Sergeant Bama und wandte sich an den Soldaten. »Hast du heute nacht Schreie gehört? Du bist jung und hast scharfe Ohren.«
    Der Soldat sah zur Seite und auf den Boden. »Ich habe nichts gehört«, sagte er und scharrte mit der bloßen Zehe eine Linie in den roten Boden.
    »Wer hat denn dann geschrien?« fragte Citron.
    Sergeant Bama lächelte. »Vielleicht irgendwelche Päderasten mit widerwilligen Partnern?« Er zuckte mit den Achseln. »Ein Streit zwischen einem Liebespaar? Wer kann das wissen?«
    »Sie dauerten eine halbe Stunde lang«, sagte Citron. »Die Schreie.«
    »Ich habe keine Schreie gehört«, sagte Sergeant Bama gleichgültig und runzelte die Stirn. »Willst du das Fleisch? Vier Kilo.«
    »Und der Preis?«
    »Die Uhr.«
    »Du wirst nicht nur auf deine alten Tage taub, sondern auch senil.«
    »Die Uhr«, sagte Sergeant Bama. »Ich muß sie haben.«
    Citron schluckte den größten Teil des Speichels, der sich durch den Geruch des Fleisches in seinem Mund angesammelt hatte, herunter. »Ich gebe dir zwei Glieder – die zwei letzten – vorausgesetzt, daß zu dem Fleisch zwei Kilo Reis kommen.«
    »Reis! Reis ist sehr teuer. Nur die Reichen essen Reis.«
    »Zwei Kilo.«
    Sergeant Bama wurde finster. Das war ein ausgezeichnetes Geschäft, weit besser als er erwartet hatte. Er vertauschte den finsteren Ausdruck mit einem Lächeln süßer Einsichtigkeit. »Die Uhr.«
    »Nein.«
    Sergeant Bama wandte sich an den Soldaten. »Hole den Reis. Zwei Kilo.«
    Nachdem der Soldat gegangen war, hockte Sergeant Bama sich neben den Eisensteintopf. Er griff mit der rechten Hand in den lauwarmen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher