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Teufels Küche

Teufels Küche

Titel: Teufels Küche
Autoren: Ross Thomas
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ihr Bett zu finden, entdeckten dort nicht nur einen prachtvollen Körper, sondern auch einen beißenden Witz und einen außergewöhnlichen Verstand.
    Miss Tettah, wie sie sich ziemlich prüde fast gegenüber jedermann selbst vorstellte, war eine immer noch hübsche, ziemlich große Frau mit ergrauendem Haar. Man hatte ihr für die Interviews mit den ausländischen Gefangenen Sergeant Bamas winziges Büro zur Verfügung gestellt. Sie saß hinter dem nackten Holztisch, vor sich eine dicke, aufgeschlagene Akte. Citron saß auf dem Stuhl ihr gegenüber. Cecily Tettah klopfte mit einem Bleistift auf die offene Akte und blickte Citron mit weit auseinanderstehenden Augen von der Farbe bitterer Schokolade an. Sie gab sich keine Mühe, ihren Argwohn aus ihrem Ton oder ihrem Blick fernzuhalten.
    »Über Sie sind hier keine Unterlagen«, sagte sie und klopfte mit ihrem Bleistift abschließend auf die Akte. »Über alle anderen gibt es hier Unterlagen, aber nicht über Sie.«
    »Nein«, sagte Citron. »Das überrascht mich nicht.«
    »Man behauptet, Sie wären ein Spion, entweder ein französischer oder amerikanischer. Sie sind sich nicht sicher, was.«
    »Ich bin Reisender«, antwortete Citron.
    »Heute morgen hatte ich eine Audienz bei dem Kaiser-Präsidenten.« Sie schniefte. »Vermutlich sollte man es so nennen – eine Audienz. Er hat zugesagt, alle Ausländer zu entlassen – alle außer Ihnen.«
    »Warum mich nicht?«
    »Weil er Sie für einen Spion hält, wie ich schon sagte. Er will mit Ihnen sprechen. Privat. Sind Sie einverstanden?«
    Citron dachte darüber nach und zuckte mit den Achseln. »Warum nicht?«
    »Kein Grund zur Sorge«, sagte Cecily Tettah. »Wir werden alles klären. Was anderes. Wie hat man Sie behandelt?«
    »Nicht schlecht, wenn man alles bedenkt.«
    »Wie war die Verpflegung? Sie sehen dünn aus.«
    »Es reichte – gerade so eben.«
    »Heute, zum Beispiel. Was bekamen Sie heute zu essen?«
    »Fleisch und Reis.«
    »Was für Fleisch?«
    »Affe.«
    Cecily Tettah schob billigend die Lippen vor, nickte und machte sich eine Notiz. »Affe ist nicht schlecht«, sagte sie. »Recht nahrhaft. Fast ohne Fett. Hat man Ihnen oft Affe gegeben?«
    »Nein«, erwiderte Citron. »Nur einmal.«
     
    Das Vorzimmer des Kaiser-Präsidenten war eine riesige Halle ohne Stühle oder Bänke und hatte einen ehemals prachtvollen Parkettfußboden, der jetzt durch Brandstellen von Zigaretten und Schrammen von Stiefeln ruiniert war. Der Raum war dicht gefüllt von Leuten, die dem Kaiser-Präsidenten Bittgesuche vorlegen wollten, und solchen, die einen Mordanschlag auf ihn verhindern sollten.
    Mindestens zwei Dutzend uniformierte Wachen waren anwesend sowie ein weiteres Dutzend Geheimpolizisten. Die Geheimpolizisten trugen alle breite, grelle Krawatten und beäugten mit Argwohn durch große dunkle Sonnenbrillen die übrige Welt. Die Wachen und die Geheimpolizisten standen. Die schäbigen Bittsteller hockten auf dem Boden, wie auch eine Schar aufgeputzter Schmeichler und eine Gruppe schläfriger junger Botengänger und ein Paar slawischer Geschäftsleute in steifen Straßenanzügen, die miteinander bulgarisch sprachen und versuchten, furchteinflößend auszusehen, aber deren feuchte, arglose Augen ihre optimistischen Krämerseelen verrieten.
    Auch Citron kauerte auf dem Boden, mit dem Rücken an der Wand und von Sergeant Bama bewacht, der es nicht lassen konnte, immer wieder sein linkes Handgelenk vorzustrecken, um seine neue goldene Rolex zu bewundern. Der Sergeant sah grinsend auf seine Uhr und dann finster auf Citron.
    »Du wirst mit ihm allein sein.«
    »Ja.«
    »Erzähl keine Lügen über mich.«
    »Nein.«
    »Wenn du lügst, müßte ich vielleicht enthüllen, was heute morgen in dem Fleischtopf gewesen ist. Es gibt Leute, die viel dafür bezahlen würden, wenn sie erfahren könnten, was es war.«
    »Affe«, sagte Citron, der wußte, daß es keiner gewesen war.
    Der Sergeant lächelte ein ziemlich grausames Lächeln, von dem Citron glaubte, er würde sich noch jahrelang daran erinnern. »Affe war es nicht«, sagte Sergeant Bama.
    »Letzte Nacht«, sagte Citron. »Die Schreie. Sie klangen wie Schreie von Kindern.«
    Sergeant Bama zuckte mit den Achseln und gönnte seiner neuen Uhr noch einen bewundernden Blick. »Ein paar sind zu weit gegangen.«
    »Wer?«
    »Das will ich nicht sagen.« Er blickte sich schnell nach allen Seiten um, beugte sich dann näher zu Citron hinab. Das Lächeln erschien wieder, sogar noch schrecklicher
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