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Teufels Küche

Teufels Küche

Titel: Teufels Küche
Autoren: Ross Thomas
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Halstücher trugen, hielten eine Fläche vor dem Palasttor frei. Die freie Fläche hatte die Form eines eingedrückten Hufeisens.
    Da er einer der großen Zuschauer des Lebens war, drängte Haere sich mit geübter Leichtigkeit durch die dichte Menge bis in die vorderste Reihe vor. Etwas stieß gegen seinen Oberschenkel. Er blickte hinab und sah zu seiner Überraschung, daß er noch immer Velveta Keats Polaroidkamera mit sich trug.
    »In einer Minute werden Sie etwas sehen, das sich zu fotografieren lohnt«, murmelte ein Mann neben ihm.
    »Was?« fragte Haere.
    »Warten Sie es ab.«
    Die Tore wurden aufgerissen, und die Menge seufzte auf. Die drei älteren Zivilisten, die grüne Halstücher trugen, kamen als erste durch das Tor. Ihnen folgten Generaloberst Carrasco-Cortes in voller Paradeuniform, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Als nächstes kamen die beiden Männer, die sich manchmal John D. Yarn und Richard Tighe nannten, ebenfalls mit auf dem Rücken gefesselten Händen. Nach Tighe und Yarn kamen die vier jungen Offiziere: die beiden Majore, der junge Hauptmann und der sehr junge Leutnant. Die Armeeoffiziere übernahmen das Kommando und führten den General und die beiden Amerikaner vor die Palastmauer. Die drei Gefangenen wurden umgedreht, so daß sie der Menschenmenge gegenüberstanden. Der ältere der beiden Majore sah sich nach dem ältesten Zivilisten um, als ersuche er dessen Bestätigung. Der Zivilist runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. Er ging zu den drei Gefangenen und schob sie an der Mauer entlang bis zu genau der Stelle, an der der ehemalige Präsident hingerichtet worden war. Die Menge murmelte zustimmend.
    Es wurden keine Reden gehalten. Die Zivilisten und die vier jungen Offiziere stellten sich in einer Reihe vor dem General und den beiden Amerikanern auf. Keine sieben Meter trennten die Gefangenen und ihre Bezwinger. Die Augen der beiden Amerikaner schweiften verstört nach Rettung suchend über die Menge. Yarns Augen entdeckten Haere.
    »Um Gottes willen, Haere!« Es kam aus Yarns Kehle, halb Schreien, halb Kreischen.
    Haere erwiderte das Starren. Die vier Offiziere und die drei Zivilisten legten ihre Waffen an.
    »Gottverdammt, Haere, bitte!« Diesmal war es ein richtig gellender Schrei.
    Haere hob die Polaroidkamera, richtete sie aus und drückte auf den roten Knopf, unmittelbar nachdem die Zivilisten und die Offiziere abgedrückt hatten. Die Kamera surrte, das Bild rollte heraus. Yarn fiel als erster, dann Tighe. Der General, von drei Kugeln getroffen, blieb noch stehen. Er rief: »Lang lebe –«, war aber nicht mehr fähig, seine letzte Losung zu vervollständigen. Statt dessen fiel er gegen die Mauer zurück, glitt in eine unbeholfene sitzende Stellung hinab und blieb so, bis er wenige Sekunden später starb.
    Draper Haere nahm das Bild aus der Kamera. Er drehte sich um und drängte sich durch die unverändert schweigende Menge. Das Bild entwickelte sich langsam. Es erwies sich als eine ausgezeichnete Aufnahme.

36
    Neun Tage nach Thanksgiving, an einem Sonnabend, wachte Draper Haere zu seiner üblichen Zeit um sechs Uhr dreißig in seinem riesigen Wohnraum auf. Hubert, der Kater, kauerte auf Haeres Brust und sah ihn ungehalten an. Der Kater saß oft an dieser Stelle, wenn Haere aufwachte. »Morgen«, sagte Haere. Hubert schnurrte laut.
    Haere schob Hubert beiseite, stand von seinem Bett auf, ging in die Küche, schaltete die Kaffeemaschine an und begab sich in das große Bad. Als er neun Minuten später wieder herauskam, war er geduscht, rasiert und bekleidet mit einer grauen Flanellhose, einem Tweedjackett und einem blauen Oxfordhemd, aber ohne Krawatte. Es war sein Sonnabendkostüm und für Haeres Begriffe geradezu verwegen informell.
    Nach zwei Tassen Kaffee und drei Zigaretten legte Haere eine Schürze an und schlug zwei Eier in die Pfanne, in der die Butter bereits brutzelte. Gerade als die Eier anfingen zu braten, erklang der Summer von der Haustür unten. Haere ging zur Gegensprechanlage und fragte: »Wer ist da?«
    Eine weibliche Stimme antwortete auf Spanisch, aber Haere konnte nicht richtig verstehen, was sie sagte. Er drückte auf den Türöffner und ging zu den Eiern zurück. Einige Sekunden später klopfte es leise an der Tür. Haere ging hin, um aufzumachen. Sie waren zu zweit, keine der beiden älter als siebzehn. Sie waren auch etwas füllig, ziemlich hübsch und völlig eingeschüchtert.
    »Señor Haere?« fragte die eine.
    Haere nickte. Die eine, die
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