Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
Autoren: Michail Bulgakow
Vom Netzwerk:
die rechte Hand auf das Huhn und sprach: »Geld ist nicht.«
    »Und morgen?« riefen die Frauen im Chor.
    »Nein«, der Kassierer schüttelte den Kopf, »morgen auch nicht, auch übermorgen nicht. Nicht so drängen, Herrschaften, ihr schmeißt mir ja den Schreibtisch um, Genossen.«
    »Was wird?« schrien alle, unter ihnen auch der naive Korotkow.
    »Bürger!« sang der Kassierer weinerlich und wehrte mit dem Ellbogen Korotkow ab. »Ich muß doch bitten!«
    »Also was denn nun?« schrien alle, am lautesten dieser komische Korotkow.
    »Da, bitte sehr«, murmelte der Kassierer heiser, holte die Geldanweisung aus der Aktentasche und zeigte sie Korotkow.
    Oberhalb der Stelle, die der schmutzige Fingernagel des Kassierers verdeckte, stand mit roter Tinte schräg geschrieben:
    »Auszahlen. In Vertr. des Genossen Subbotnikow – Senat.«
    Darunter stand mit violetter Tinte:
    »Kein Geld da. In Vertr. des Genossen Iwanow – Smirnow.«
    »Was wird?« rief Korotkow, allein, die anderen wälzten sich schnaufend auf den Kassierer.
    »Ach, mein Gott!« jammerte der verwirrt. »Was kann ich denn dafür? Du lieber Gott!«
    Nachdem er die Geldanweisung hastig in die Aktentasche geschoben hatte, bedeckte er sich mit seiner Ohrenklappenmütze, klemmte die Aktentasche unter den Arm, schwenkte das Huhn, schrie: »Laßt mich bitte durch!«, schlug eine Bresche in die lebendige Wand und entschwand durch die Tür.
    Ihm nach lief quiekend die bleiche Registratorin auf ihren hohen spitzen Absätzen. An der Tür brach der linke Absatz knirschend, die Registratorin wankte, hob das Bein und zog den Schuh aus.
    Und im Zimmer verblieben die Registratorin, an einem Bein barfuß, und alle übrigen, darunter auch Korotkow.

2 Produkte der Produktion
    Drei Tage nach dem geschilderten Vorfall wurde die Tür des Einzelzimmers, welches dem Genossen Korotkow eigen war, spaltbreit geöffnet, und ein verheulter Frauenkopf sagte grimmig: »Genosse Korotkow, gehen Sie Ihr Gehalt abholen.«
    »Was?« rief Korotkow hocherfreut und stürmte, die Carmenouvertüre pfeifend, zum Zimmer mit der Aufschrift »Kasse«. Vor dem Tisch des Kassierers blieb er stehen und riß den Mund auf. Zwei dicke Säulen aus gelben Schachteln ragten bis zur Zimmerdecke. Um keine Fragen beantworten zu müssen, hatte der verschwitzte und erregte Kassierer mit einer Reißzwecke die Anweisung an die Wand gepinnt, die jetzt von einer dritten Entscheidung in grüner Tinte verschönt war:
    »In Produkten der Produktion auszahlen.
    In Vertr. des Gen. Bogojawlenski – Preobrashenski.
    Ich denke auch so – Kschessinski.«
    Korotkow verließ den Kassierer mit einem breiten und blöden Lächeln. In den Händen trug er vier große gelbe und fünf kleine grüne Päckchen, in den Taschen aber dreizehn blaue Schachteln, alle voller Streichhölzer. In seinem Zimmer angelangt, verpackte er, auf das Stimmengewirr der verblüfften Angestellten in der Kanzlei horchend, sein Gehalt in zwei riesige Blätter der Morgenzeitung, dann ging er, ohne jemandem Bescheid zu sagen, nach Hause. Vor der Tür des Streichmat wäre er fast unter ein Auto geraten, in dem jemand vorfuhr, doch wer das war, konnte Korotkow nicht erkennen.
    Zu Hause legte er die Streichholzschachteln auf dem Tisch aus, trat ein wenig zurück und genoß den Anblick. Das blöde Lächeln wich nicht von seinem Gesicht. Sodann zauste er sich die blonden Haare und sagte zu sich selbst:
    »Nun, es hat keinen Zweck, lange Trübsal zu blasen. Wir werden sie verkaufen.«
    Er klopfte bei seiner Nachbarin Alexandra Fjodorowna, die im Gouvweinspeicher arbeitete.
    »Herein«, tönte es dumpf aus dem Zimmer.
    Korotkow trat ein und staunte Bauklötze. Die vorzeitig von der Arbeit heimgekehrte Nachbarin hockte in Mantel und Mützchen auf dem Fußboden. Vor ihr standen in Reih und Glied Flaschen mit Stöpseln aus Zeitungspapier, gefüllt mit einer dunkelroten Flüssigkeit. Alexandra Fjodorowna sah verheult aus.
    »Sechsundvierzig«, sagte sie und wandte sich Korotkow zu.
    »Guten Tag, Alexandra Fjodorowna. Ist das Tinte?« fragte Korotkow verwundert.
    »Abendmahlswein«, antwortete die Nachbarin schluchzend.
    »Was denn, Sie auch?« ächzte Korotkow.
    »Wieso, haben Sie auch Abendmahlswein gekriegt?« sagte Alexandra Fjodorowna verblüfft.
    »Nein, Streichhölzer«, erwiderte Korotkow mit erloschener Stimme und nestelte an einem Jackenknopf.
    »Aber die brennen doch nicht!« rief Alexandra Fjodorowna, indem sie sich erhob und den Rock abklopfte.
    »Was,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher