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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
Autoren: Michail Bulgakow
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hundertfünf Prozent? In den achatfarbenen Schlitzaugen saß von Geburt an ein wundersames Visier, anders war solches Schießen nicht zu erklären. Zu einem Übungsschießen kam in einem riesigen Auto ein wichtiger Mann in grauem Militärmantel mit einem buschigen Schnauzbart und äugte interessiert durch den Feldstecher. Der kleine Chinese, dessen eingekniffene Augen sich in die Ferne bohrten, drückte die Griffe des ratternden Maxim und schnitt ein Gebüsch ab, wie ein Weib, das Getreide mäht.
    »Tatsächlich, das soll der Teufel verstehen! So was seh ich zum erstenmal«, sagte der Schnauzbärtige, nachdem das glühende Maxim-Maschinengewehr verstummt war. Und an den kleinen Chinesen gewendet, fügte er mit lachenden Augen hinzu: »Virtuose!«
    »Viltusi«, wiederholte der kleine Chinese und sah aus wie ein chinesischer Engel.
    Eine Woche später sagte der Regimentskommandeur im Baß zum Führer des MG-Zuges: »Dieser verdammte Kerl!« Er zuckte begeistert die Achseln und wandte sich an Sen Sin Po mit den Worten: »Eine Prämie auszahlen!«
    »Plemili … zali, zali«, echote der kleine Chinese, und gelblicher Glanz ging von ihm aus.
    Der Kommandeur rief dröhnend wie aus einem Faß, und die MG-Schützen antworteten ihm in schmetterndem Chor. Am gleichen Abend meldete in der Kanzlei unter der zerschlagenen Lampenglocke ein Mann in Feldbluse, ein Papier sei eingegangen, wonach der kleine Chinese zum Internationalen Regiment abkommandiert werde. Der Kommandeur lief puterrot an und verfiel ins tiefe C:
    »Willst du mal riechen?« Dabei zeigte er seine gewaltige behaarte Faust. Der Mann in der Feldbluse setzte unverzüglich den Entwurf eines Befehls auf, der mit den Worten begann: Befehlsgemäß wird der MG-Schütze Sen Sin Po vom Eisernen Regiment, unser Stolz und Virtuose …

6 Glanzvolles Debüt
    Ein Monat war vergangen, am Himmel kein einziges Wölkchen, die heiße Sonne stand direkt über den Köpfen. Die blauen Baumgruppen in zwei Werst Entfernung donnerten wie bei einem Gewitter, und das Eiserne Regiment hinten und links ging zurück, grub sich ein, knatterte trocken. Der kleine Chinese, mit einem Haufen Gurte behängt, stand auf einem abschüssigen Hügel bei seinem spitznasigen Maschinengewehr. Sein Gesicht zeigte eine gewisse Versonnenheit. Von Zeit zu Zeit richtete er den Blick gen Himmel, danach auf die Baumgruppen, wandte wohl auch den Kopf zur Seite und sah dann den MG-Schützen, den er kannte. Dessen Kopf und darunter die zottige rote Schleife auf der Brust lugten etwa vierzig Schritt entfernt aus den Büschen. Nach diesem Blick zur Seite schaute der kleine Chinese wieder blinzelnd in die liebe Sonne, die ihm die Mütze wärmte, wischte sich den Schweiß ab und wartete, was für eine Wendung alle diese brodelnden Ereignisse nehmen würden.
    Sie entwickelten sich folgendermaßen: Unter den blauen Baumgruppen in der Ferne erschienen dünne schwarze Ketten und kamen, bald sich zu Boden werfend, bald aufrecht gehend, sich lockernd und wieder schließend, auf den abschüssigen Hügel zu. Das Eiserne Regiment hinten und links von dem kleinen Chinesen knatterte wütender und häufiger. Eine durchdringende Stimme stieg hinter dem kleinen Chinesen den Hügel hinan:
    »Feu-eeer!«
    Sofort hämmerte das MG des Schützen mit der Schleife im Gebüsch los. Irgendwo von links kam Antwort, und vor der näher rückenden Kette stieg Staubnebel von der Erde auf. Der kleine Chinese robbte dichter an das MG, legte seine gelben Virtuosenhände um die Griffe, blieb noch ein paar Augenblicke stumm, wobei er den Lauf sacht von rechts nach links bewegte, dann ratterte er kurz und einladend, hielt inne … ratterte wieder, und dann auf einmal spielte er in ohrenbetäubendem Geknatter seine fürchterliche Rhapsodie. In Sekunden spie er seine glühenden Kugeln von Flanke zu Flanke in die Kette hinein. Die Kette fiel zu Boden, stand wieder auf, wurde lückenhaft, begann zu bröckeln. Eine heisere Stimme brüllte begeistert von hinten:
    »Chinese! Mäh sie nieder! Feuer! Feu-eeer!«
    Durch Dunst und Staub schickte der kleine Chinese einen unablässigen Sturzregen von Kugeln gegen die zweite Kette. Aber da wuchsen weit rechts dunkle Streifen aus der Erde, überragt von Staubsäulen. Ein Strom von Unruhe lief unsichtbar hügelan. Eine Stimme, heiser, schrie überschnappend:
    »Auf die angreifende Kavallerie …«
    Ein dumpfes Brausen erschütterte die Erde bis zu der Stelle, wo der kleine Chinese lag, und die dunklen Streifen
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