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Tesarenland (German Edition)

Tesarenland (German Edition)

Titel: Tesarenland (German Edition)
Autoren: Savannah Davis
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Blutflecken sind. Ich wische ihm damit das Gesicht sauber, auch unter seinen Augen befinden sich Blutspuren. Luca reagiert nicht, ich bin enttäuscht und zugleich steigt die Panik in mir hoch. So war es bei Kayla auch gewesen. Sie war nicht mehr ansprechbar. Sie hat aus den Augen geblutet, genau wie Luca.
    Ich schaue in das Bett in meinem Rücken. Ein kleines blasses Gesichtchen schaut unter der Decke hervor. Schwarze Strähnen kleben im Gesicht, auch wenn sie blass ist, und anders aussieht, als in meiner Erinnerung, dort liegt Kaylas Freundin Cassie. Ich wage nicht, in die anderen Betten zu sehen. Ich werde alle Gesichter kennen. Ich will nicht wissen, wer sich sonst noch mit dem Virus quält. Wessen Chancen sonst noch so gering sind wie Lucas.
    Aiden stellt einen Stuhl hinter mich. Diesmal setze ich mich. Ich suche unter der Decke nach Lucas Hand. Er fühlt sich kalt an, erschreckend kalt. So wie bei Kayla. Eine Träne rollt heiß über meine Wange. Ich werde ihn verlieren. Ich schlucke den Kloß hinunter und reiße mich zusammen. Ich werde nicht weinen. Ich will nicht, dass Luca die Augen öffnet und in mein verheultes Gesicht blickt.
    Wut kocht in mir hoch. Wenn ich dazu in der Lage wäre, würde ich meine Hände um den Hals der Ärztin legen. Hinter mir stöhnt Cassie, und obwohl mich dieses kindliche Stöhnen noch wütender machen sol lte, besänftigt es mich sofort.
    Sie gibt ihr bestes , diese Kinder zu retten. Wie viele hat sie vielleicht schon gerettet? Sie alle wären schon lange tot, wenn sie nicht heimlich für ihre Rettung gesorgt hätte. Ich kann ihr nicht dankbar sein, es macht den Hass auf sie nicht geringer. Aber einstweilen will ich sie nicht mehr töten, weil Luca und Cassie sie noch brauchen. Diese Frau ist ihre einzige Hoffnung.
    Aiden legt eine Hand auf meine Schulter. »Du solltest wieder ins Bett gehen. Ich denke, das war genug Bewegung für heute. Du zitterst .«
    Ich zittere. Ja, ich habe es gar nicht gemerkt, aber mir ist wirklich kalt. Trotzdem möchte ich Luca nicht verlassen. »Ich leg mich zu ihm«, sage ich bestimmt.
    »Das wäre nicht gut.« Aiden zieht Lucas Decke ein Stück weg. In seinen Armen stecken Nadeln, an diesen Nadeln sind durchsichtige Schläuche, die unter seinem Kopfkissen verschwinden und über seinem Kopf wieder hervorkommen und dort in Flaschen enden. »Du willst die doch nicht unabsichtlich rausreißen?« Das will ich wirklich nicht.
    »Wozu ist das ?«, frage ich, während ich mich langsam hochstemme, mein Gewicht auf dem Bett abstütze.
    »Flüssigkeit. Soweit ich verstanden habe, versucht sie so , den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Da er bewusstlos ist, bekommen wir über den normalen Weg nichts in ihn rein.
    Ich beuge mich weit über das Bett und drücke Luca einen Kuss auf die Wange. Seine Hand, die ich noch immer halte, zuckt kurz. Der Abschied fällt mir schwer, weil ich nicht weiß, ob ich ihn noch einmal wiedersehen werde, aber ich lasse mich von Aiden aus dem Zimmer begleiten.
     
    Zwei Tage später laufe ich schon alleine durch die vielen Gänge. Aiden hat mir erklärt, wie ich mich zurechtfinden kann. Ich hab mir nur rot gemerkt. Wenn ich immer der roten Linie auf dem grauen Fußboden folge, dann lande ich irgendwann wieder vor der Krankenstation. Es kommt mir so vor, als würde jede Runde, die ich durch den Bunker laufe, mich meiner alten Stärke ein Stück näher bringen.
    Gerade habe ich eine Stunde in der Schulklasse verbracht. Die Klasse ist nicht groß. Zurzeit besteht sie aus sieben Kindern unters chiedlichen Alters. Wenn erst die Kinder aus Kolonie D alle gesund sind, dann wird Station acht bald ein weiteres Schulzimmer brauchen. Achtzehn Kinder aus Kolonie D haben es bis hier hergeschafft. Ein paar sind in anderen Stationen untergebracht worden. Sie alle haben ihre Eltern in Kolonie D zurücklassen müssen. Eltern, die nicht einmal wissen, dass ihre Kinder noch leben. Mehr als dreißig Kinder haben es nicht geschafft, aber die Rebellen fahren jeden Tag mit ihren Lastern raus, in der Hoffnung, noch ein Kind retten zu können. Jeden Morgen, wenn sie in ihre LKWs steigen, das große Tor öffnen und hinausfahren, bete ich zu Mutter, dass sie wenigstens noch ein Kind finden. Aber schon seit Tagen kommen sie ohne neue Kinder zurück.
    Ich finde die Schule doch nicht so gut, wie ich sie mir immer vorgestellt habe. Eine Stunde still zu sitzen, nichts zu tun als zuhören, wie vorne jemand über die Vergangenheit der Menschen erzählt, ist nichts
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