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Tentakelwacht

Tentakelwacht

Titel: Tentakelwacht
Autoren: Dirk van den Boom
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keine Aufregung über eine Tatsache, die die Klone ohnehin nicht ändern konnten.
    Er schwieg. Er wusste nicht, was die Original-Rahel dazu bewogen hatte, diese Entscheidung zu treffen. Vielleicht war es nur das Bemühen, ein Werkzeug zu schaffen, um so vielen »normalen« Menschen wie möglich die Flucht zu ermöglichen. Aber wer war »normal«? Und warum maßte sich diese Frau aus der Vergangenheit an, darüber zu urteilen?
    »Wir sind eine Waffe, Sergent«, murmelte die Rahel. »Wir sind einfach nur eine Waffe.«
    »Kann man nichts dagegen tun?«
    Die Soldatin schüttelte den Kopf. Dann wandte sie sich ab und ging.
    Roby wartete, bis sie außer Sichtweite war, dann holte er einen anderen Kommunikator aus seiner Tasche, das Gerät, das ihn mit Bella verband. Sie hatten in den vergangenen Tagen immer mal wieder kurze Nachrichten ausgetauscht, nicht mehr als bloße gegenseitige Versicherungen, noch am Leben zu sein.
    Das war nicht viel, aber es hatte jedes Mal etwas sehr Beruhigendes für Roby gehabt.
    Auf dem Bildschirm erblickte er eine Textnachricht. Bella teilte ihm mit, dass sie mit einem Kirchenbus auf dem Weg in die Mojave-Wüste war. Ihr Name stand auf der Liste. Sie hatte ihr Ticket schon.
    Roby gestattete sich ein Lächeln. Unter einem Ausflug mit dem Kirchenbus verstand man normalerweise eine nette Fahrt mit dem Seniorenkreis zu einem Kaffeekränzchen. Der Kirchenbus Bellas war ein ausrangierter Militärtransporter, verstärkt mit aufgeschweißten Stahlplatten und einem Geschütz auf dem Dach, gesteuert vom Beifahrer. Statt Fenstern gab es Schießscharten. Die Passagiere würden alle bis an die Szene mit Exemplaren aus Bellas Kollektion bewaffnet sein.
    Dennoch. Es konnte so viel passieren, bis sie es hierher geschafft hatte. Es stand ihr eine mehrtägige Fahrt bevor, und auf dieser warteten unkalkulierbare Gefahren.
    Roby starrte wieder in den makellos blauen Himmel. Das da hinten, war das nicht der Kondensstreifen eines landenden Schiffes? Und dort noch einer? Und da, ein Aufleuchten in der Atmosphäre, als ob etwas Großes explodiert sei?
    Eine Waffe, hatte sie gesagt.
    Roby fühlte, wie ihn Angst beschlich.
    Hoffentlich eine gute Waffe. Hoffentlich.
        
     

42
     
    Mirinda betrachtete die taktische Darstellung. Die Schiffsführung der Jonathan Haark hatte ihnen bisher keinen offiziellen Zugang eröffnet und nur eine sehr abgespeckte Situationsdarstellung zugelassen. Das war den Allianzvertretern natürlich einerlei. Die Ortungsgeräte der Kapsel waren denen des irdischen Schlachtschiffes mehr als nur ebenbürtig, und es war außerdem überhaupt kein Problem, jeden Datenfeed aus dem Zentralcomputer zu kopieren, ohne dass die bemerkenswert trotteligen KIs der Menschen das merkten. Kurzum, die Allianzdiplomaten waren absolut im Bilde über das, was sich im Sonnensystem abspielte, und Mirinda, normalerweise kein Opfer allzu starker Emotionen – das war in ihrem Design nicht vorgesehen –, konnte sich dem allgemeinen Eindruck der Verzweiflung nicht entziehen.
    Die Jonathan Haark hatte den Jupiterraum mit voller Beschleunigung verlassen und Kurs auf die Erde genommen, als die Station gefallen war. Das Schlachtschiff war der Stolz der terranischen Flotte, und auch Sobhex zeigte sich über die Fähigkeit der Menschen, große Vernichtungsmaschinen zu bauen, durchaus beeindruckt. Die mächtigen Antriebe des Schiffes schleuderten die gigantische Masse in Richtung des Heimatplaneten. Dennoch würde es noch weitere Wochen dauern, bis man im hart umkämpften Orbit der Erde ankommen würde und sich an der Abwehrschlacht beteiligen konnte. Die Tentakel hatten diesmal einfach viel zu viele Schiffe aufgeboten, und die vollautomatischen Produktionsanlagen auf den äußeren Planeten waren unermüdlich damit beschäftigt, Kleinkampfschiffe bis hin zu Hüllen mittlerer Baureihe zu produzieren und sofort in den Dienst zu stellen. Die Terraner obsiegten in den Feldern Einfallsreichtum, taktischer Finesse und in der Überlegenheit einiger ihrer Waffenentwicklungen, die Tentakel machten all dies durch die schiere Masse und absolute Rücksichtslosigkeit wieder wett.
    Ein ungleiches Kräftemessen. Mirinda standen natürlich die Erfahrungsdaten aller bisherigen dokumentierten Tentakelüberfälle in der bekannten Galaxis zur Verfügung. Die zweite Invasion war in 99 % der Fälle der Todesstoß auch für eine sehr kämpferische Zivilisation. Die wenigen, die es bis zur dritten schafften, hatten dies durch einen
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