Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Titel: Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko
Autoren: Shaw Johnny
Vom Netzwerk:
bin ich.
    Als ich gerade einen Bissen nahm, landete eine Hand hart auf meiner Schulter. »Langhaarige sind hier gar nicht gern gesehen.«
    So was bekam ich nicht zum ersten Mal zu hören, aber so früh morgens kriegt man normalerweise nicht die Fresse poliert. Außerdem war der Spruch so abgedroschen, dass ich eher amüsiert als verängstigt war.
    Ich sah auf in das lächelnde Gesicht von Bobby Maves. »Du bist nicht von hier, was, Junge?«, sagte er mit aufgesetztem Redneck-Akzent, obwohl er von Haus aus sowieso schon einen Redneck-Akzent hatte.
    »Heilige Scheiße« war alles, was mir dazu einfiel und was ich dann auch mit einem herzlichen Lachen sagte. Bobby Maves – außen Mexikaner, innen Hinterwäldler.
    Ich stand halb auf und schüttelte Bobby die Hand. Mit einem Nicken bot ich ihm die Sitznische mir gegenüber an. Bobby setzte sich hin und sah mich die ganze Zeit an. Er musste den Kopf zurücklehnen, um unter seinen zufallenden Lidern hindurchsehen zu können. Ich konnte nicht sagen, ob er betrunken oder müde war. Vielleicht beides.
    Bobby war gut einen Meter siebzig groß und drahtig. Er sah aus, als hätte er nicht ein Gramm Fett am Leib. Das Auffallendste an Bobby waren seine Haare. Sie waren schon vollkommen grau,
fast weiß, und zu einer hohen Teddyboy-Frisur gestylt. Sie hoben sich stark von seiner braunen Haut ab. Man hätte ihn leicht für einen mexikanischen Elvis-Imitator halten können.
    Sein Vater war Deutschschweizer und seine Mutter Mexikanerin. Trotz seiner dunklen Haut betrachtete sich Bobby nicht als Mexikaner. Wie er mir einmal gesagt hatte: »Wenn deine Eltern zu Hause mexikanisch sprechen, giltst du hier unten als Mexikaner. Wenn deine Eltern amerikanisch sprechen, dann bist du Weißer.« Mir war es nicht wichtig, aber für Bobby gab es da einen Unterschied. So unterschied man die kalifornischen Mexikaner der fünften Generation von den Neuankömmlingen.
    Man konnte Bobby ansehen, dass er die Nacht über Felder bewässert hatte: blutunterlaufene Augen, Schlammspritzer auf Hemd und Shorts und nur Socken an den Füßen. Seine Stiefel hatte er draußen gelassen. Wenn er mit dem Frühstück fertig war, würde der Schlamm durch die Hitze festgebacken sein und ließe sich einfach abklopfen.
    »Wie geht’s dir so, Bobby?«, fragte ich aus echtem Interesse, auch wenn es sich ein bisschen floskelhaft anhörte.
    »Ich wohn immer noch in Holtville. Wie soll’s mir schon gehen?«
    »Ja, aber es ist eine trockene Hitze«, war alles, was mir einfiel. Es war immer noch zu früh am Morgen für mich.
    Bobby bog sich vor Lachen über meinen mäßigen Witz. Nicht, weil er nett zu mir sein wollte, sondern weil er mich wirklich für unheimlich witzig hielt. Das war schon immer so gewesen. Als wir noch jung waren, war ich der Scherzbold und Bobby der lachende Schlägertyp. Die perfekte symbiotische Beziehung. Ich konnte einfach die Klappe aufreißen und Bobby war immer da, um mich rauszuhauen, und er hatte auch noch seinen Spaß dabei. Ich kannte niemanden mit einem so ungestörten Verhältnis zur Gewalt wie Bobby Maves. Er hatte überhaupt nichts Gemeines an sich. Er prügelte sich einfach nur gern, und das mit außerordentlichem Talent.
    »Ich hab das von deinem alten Herrn gehört«, sagte Bobby. Sein Lachen verklang; und er bemühte sich, ernst dreinzuschauen.
»Ich hab dran gedacht, ihn zu besuchen, aber ich wusste nicht, ob die mich zu ihm lassen würden und ob ich Blumen mitbringen sollte und so. Ich weiß nicht mal, was ich zu ihm sagen soll oder ob er überhaupt Besuch haben will.« Bobby war eindeutig betrunken. Er schwankte ein wenig auf seinem Sitz hin und her und machte lange Pausen zwischen den Sätzen.
    »Pop würde sich unheimlich freuen. Du kannst ihn besuchen, wann du willst.«
    »Ich mag deinen Alten. Big Jack behandelt mich nie wie einen Loser. Der sagt nie, ich würde zu viel trinken oder ich müsste mehr Verantwortung an den Tag legen. Nicht wie die anderen Oldies. Er gibt mir immer das Gefühl, ich wäre schlauer, als ich in Wirklichkeit bin, denn er redet mit mir, als wäre ich schlau.«
    Es war schön, dass Bobby in der Gegenwart über Pop redete. Manchmal fangen Leute an, von Menschen, die im Sterben liegen, in der Vergangenheit zu reden, so als wenn sie schon nicht mehr da wären. Schnell betrachtet man jemanden als Sterbenden anstatt als einen lebenden Menschen, der dem Tod ins Auge sieht.
    Bobby wandte sich mir zu. »Krebs, oder?«
    »Nein, ich bin Widder«, sagte ich, um die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher