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Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Titel: Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko
Autoren: Shaw Johnny
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Generation war bereit gewesen, ein paar Dollar mehr auszugeben, um den Charakter der Stadt zu erhalten.
    Damit war’s jetzt aus. Die Zeiten waren härter. Sammys Eisenwarenladen, der Herrenfriseur Walker, die Apotheke Good Health und das Billigkaufhaus, alles wichtige Fixpunkte meiner Kindheit, gab es nicht mehr. Als ich die Holt Road entlangfuhr, sah ich nicht viel Bekanntes. Es gab nur noch wenige Geschäfte, hauptsächlich Bars und Kirchen.
    Glücklicherweise hatte eine Bastion aus alten Tagen überlebt, das J & M Café. Von außen sah es genauso aus wie jeder andere fettgeschwängerte Fernfahrerimbiss. Und um ehrlich zu sein, drinnen auch. Denn genau das war’s auch. Aber für die Trucker und Einheimischen war es auch ein Treffpunkt. Immer wenn ich ins J & M ging, traf ich jemanden, den ich kannte. Das heißt aber nichts, denn ich kannte sämtliche Serviererinnen. Und mit diesen Serviererinnen hielt ich gern ein Schwätzchen. Sie waren wie alte Verwandte, so eine Art Großtanten.
    Die Bedienung mit der großen, roten Perücke wies mir einen Platz zu. Sie arbeitete dort schon seit meinen Kindertagen und ich konnte mich nie an ihren Namen erinnern. Ich nannte sie »Ma’am«. Ich hatte immer angenommen, sie hieße Gertie oder Flossie oder so ähnlich. Ich hätte sie einfach fragen können, aber so wichtig war’s mir auch nicht und »Ma’am« war ein netter Spitzname. Selbst mit über siebzig war sie noch ganz schön kess und flirtete mit den Truckern. Ma’am war die Seele des J & M. Sie schenkte mir, ohne zu fragen, eine Tasse Kaffee ein. Es war morgens. Ich war ein Mann. Was würde ich wohl sonst trinken? Ich fragte mich, ob sie mich wiedererkennen würde.
    Ich musste nicht lange auf die Antwort warten.
    »Du bist doch Big Jacks Junge. Ich habe das mit dem Krebs gehört. Schon traurig. Wie geht’s ihm denn?«, fragte sie. Nicht einfach
bloß, um etwas zu sagen, sondern aus echter Anteilnahme. Da wurde mir klar, wie weit ab von allem ich gewesen war, da ich als Letzter von Pops Krankheit erfahren hatte. Das war wirklich ein Scheißgefühl.
    »Ich gehe ihn besuchen. Nach dem Frühstück«, sagte ich, ohne wirklich ihre Frage zu beantworten.
    »Ich wette, er gibt den Schwestern ordentlich Zunder. Big Jack, immer einen Scherz und ein Lächeln auf den Lippen.«
    »Das ist mein Pop, Ma’am.« Ich lächelte.
    »Bestell ihm schöne Grüße von mir. Sag ihm, ich halt den Kaffee für ihn warm.« Als hätte sie gewusst, dass ich ihren Namen nicht kannte, und mich nach all den Jahren nicht in Verlegenheit bringen wollte. Ich durchschaute ihr Spiel.
    Ich bestellte eine kleine Portion Pfannkuchen mit Speck und griff dann zu einer Ausgabe der Holtville Tribune . Die Tribune war die Wochenzeitung von Holtville und immer einen Blick wert. Während der Sommerferien, wenn es keine Sportberichte von der Highschool gab, war es nicht so einfach, sämtliche zwanzig Seiten zu füllen. Als ich mich durch langweilige, mit Belanglosigkeiten gestreckte Nachrichten über die Gemeindeverwaltung quälte, stieß ich auf zwei meiner allerliebsten Kolumnen auf der ganzen Welt: die Speisekarte der Finley-Grundschule (Freitag: Pancho-Villa-Salat?) und ganz besonders die Polizeiberichte.
    Die Polizeiberichte waren eine Zusammenfassung aller Anrufe, die die Polizei von Holtville in der Vorwoche erhalten hatte. Vom Bagatelldiebstahl bis zu im verschlossenen Wagen vergessenen Schlüsseln war es eine Seite voller wunderbarer Peinlichkeiten und lustiger Geschichten.
    17.07., 16:12 Uhr  – Gladys Wells, wohnhaft in der Walnut Street, meldete zwei unbekannte Personen, die durch ihr Viertel liefen. Ein Streifenwagen wurde an den Schauplatz geschickt. Nach einem kurzen Verhör stellte sich jedoch heraus, dass die beiden Männer in der Gegend Verwandte besuchen wollten.
     
    19.07., 23:07 Uhr  – Aus Pinky’s Bar and Grill wurde gemeldet, dass es auf dem Parkplatz des Lokals zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei Frauen gekommen war. Es wurden Polizeibeamte an den Schauplatz geschickt. Es kam zu keinen Verhaftungen. Die Beamten wiesen die Geschäftsleitung an, die Glasscherben zu entfernen.
    »Bitteschön, mein Herzblatt!« Ma’am stellte mir mein Essen hin. Ich fing an reinzuhauen und hob mir den Speck für ganz zum Schluss auf. Manche Leute gießen »ganz aus Versehen« ein bisschen Sirup in die Nähe des Specks und genießen dann verschämt diese köstliche Kombination. Aber ich gieße den Sirup direkt über den Speck. So ein verwegener Typ
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