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Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Titel: Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko
Autoren: Shaw Johnny
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gegangen und war bemüht, sich ein bisschen Lebensqualität zu bewahren. Er hatte nicht deprimiert geklungen, aber Hoffnung hatte er auch nicht.
    Ich tat, was ich tun musste. Ich packte meine Sachen in den Pick-up und fuhr heim. Jemand musste sich um Haus und Farm kümmern, und ich wollte so viel Zeit wie möglich mit Pop verbringen. Wenn er bald sterben sollte, würde ich ihn dabei nicht allein lassen.
    Ich ließ in Los Angeles alles zurück. Glücklicherweise war »alles« nicht sehr viel. Ich gab meinen Job auf, das Einsetzen von Buntglasfenstern, eine anspruchslose Arbeit, die manchmal Spaß machte und mir half, mich vor wahrer Verantwortung zu drücken. Bei den verschiedenen Hilfsarbeiterjobs, die ich immer nur annahm, wenn es nicht anders ging, hatte sich mein Hochschulabschluss in amerikanischer Literatur bisher als nicht sonderlich nützlich erwiesen. Zimmermann, Glaser, Tagelöhner, Monteur für Sicherheitssysteme, Weihnachtsbaumverkäufer … um nur ein paar der letzten Jobs zu nennen. Nur wenige Fertigkeiten machen in einem Lebenslauf so viel her wie die Fähigkeit, ohne fremde Hilfe einen neun Meter großen Weihnachtsmann aufzublasen und die Luft wieder rauszulassen.
    Ich hatte noch nicht lange in Los Angeles gewohnt. Es war nur eine Adresse auf einer stetig wachsenden Liste. Ich bin sehr oft umgezogen. Seit ich zu Hause ausgezogen war und dann mein Studium beendet hatte, hatte es mich immer wieder in neue Städte, zu neuen Menschen und neuen Erfahrungen gezogen. Das Geld, mit dem ich die Heimreise finanzierte, war eigentlich für einen dreimonatigen Trip nach Südostasien vorgesehen gewesen.
    Ich vermied es, sehr weit in die Zukunft oder in die Vergangenheit zu schauen. Wer seinen Blick auf den Horizont richtet, stolpert über seine eigenen Füße. Das habe ich irgendwo gelesen. Ich glaube, das stand auf der Gewürzteepackung einer Ex-Flamme.
    Auch wenn ich gern behaupten würde, mit den Aushilfsjobs lediglich meine Tiefkühl-Burritos finanziert zu haben, während ich darum kämpfte, meine wahren Träume zu verwirklichen, so ist es einfach nicht. Ich schrieb nicht an dem großen amerikanischen Roman. Ich hatte auch nicht vor, meinen eigenen Kurzwarenladen zu eröffnen. Und ich wollte keinen Film drehen (als einziger Mensch im Großraum Los Angeles). Ich hatte keinen Traum. Ich war einfach.
    Ich bin einer von diesen Menschen, die von vielem ein bisschen Ahnung haben. Wenn ich könnte, würde ich den ganzen Tag rumsitzen und quasseln. Aber die Nachfrage nach Talkshow-Moderatoren
ist nun mal begrenzt. Stattdessen blieb ich beim Trockenbau. Mal arbeitete ich und dann faulenzte ich wieder, hing in Bars und Cafés rum und tat meine Meinung über die Welt, die Kunst und meine Mitmenschen kund. Ich war ein Quasselkopf der Extraklasse. Das war cool, solange ich noch unter dreißig war. Aber kurz nach meinem dreißigsten Geburtstag fing ich dann doch an, mir Sorgen zu machen. Nicht genug, um mich zu ändern, aber genug, um mich als noch größere Niete zu fühlen.
     
    So gegen vier Uhr morgens fuhr ich durch Brawley. Flecken kahler Erde vor den Häusern gaben sich als Rasen aus. Ein ständiger Staubnebel hing in der Luft. Einige der älteren Gebäude in der Innenstadt sahen so aus, als hätten sie schon bessere Zeiten gesehen. Verfall, Graffiti und die Hitze hatten ihnen zugesetzt. Brawley sah aus wie eine Stadt, die im Begriff war, einen lang währenden Kampf zu verlieren, so erschöpft, dass sie sich aufgegeben hatte. Es war, als würde die Anstrengung, die Wüste abzuwehren, an Häusern, Pflanzen und Straßen zehren. Alles an Brawley sackte unter dem Gewicht des eigenen langsamen Untergangs zusammen. In Brawley war ich geboren worden.
    Ich fuhr durch Imperial, dann durch El Centro und bog schließlich links zu unserem Haus ab. Unter meinen Reifen knackte es, als ich die Raupen überfuhr, die die Straße zwischen zwei Luzernenfeldern überquerten.
    Ich hatte keinen richtigen Heimatort. Das Haus, in dem ich aufgewachsen war, lag auf einer Farm zwischen Holtville und Calexico: »Auf dem Land«, im Gegensatz zu »in der Stadt«.
    Ich betrachte Holtville als meinen Heimatort, denn da war ich zur Highschool gegangen (»Los, Vikings!«) und da hatten wir immer unsere Lebensmittel gekauft. Holtville war eine verschlafene Kleinstadt und Heimat des »weltberühmten« Möhrenfests. Schließlich war Holtville die Möhrenhauptstadt der Welt.
    Calexico andererseits war eine typische Grenzstadt mit fast ausschließlich
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