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Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Titel: Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt
Autoren: Nick L. Brille
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sich beruflich wirklich austoben.

Entenmeister
     
    W as fällt Ihnen spontan zum Thema »Ente« ein? À l’orange? Peking? Donald Duck? Gar nicht schlecht, Sie kleines Assoziationswunder. Doch Enten sind vielseitige Geschöpfe. Sie tragen entscheidend zur Familiensättigung am Ersten Weihnachtsfeiertag bei; sie lassen sich spürbar zäher auf angeblich chinesisches Porzellan in bundesdeutschen Bahnhofsgegenden fallen – und sie sind für den möglicherweise seltensten Job der Welt verantwortlich: den des Entenmeisters im Peabody .
    Nun wirft diese Einleitung natürlich eine Menge Fragen auf. Beginnen wir mit dem Peabody , bei dem es sich um ein Hotel in jener Stadt handelt, in der Elvis angeblich das Zeitliche gesegnet hat. Wobei wir natürlich alle genau wissen, dass der King of Rock ’n’ Roll lebt, sich bester Gesundheit erfreut und einen Souvenir-Shop am Hafen von Sydney betreibt. Oder so. Zurück zum Thema: Das Peabody ist also eine Gastlichkeit in Memphis, Tennessee, USA , und beherbergt Enten.
    Stopp. Zurückspulen. Noch einmal: Das Peabody ist ein Hotel für durchaus menschliche Gäste, doch traditionell wird es auch von Enten bewohnt. Besser? Okay.
    Nun mögen Sie sich fragen, was das doch als emotional eher zurückhaltend geltende Federvieh, das bestenfalls mittels Daunenproduktion zum Kuscheln anregen könnte, in einem Hotel zu suchen hat.
    Vorratshaltung? »Das hier ist Emma. Sie könnte heute Abend mit Orangenscheiben, Rosmarin und Salbei auf Ihrem Teller liegen. Oder wie wäre es mit der etwas fetteren Jolanthe …?«
    Nein, nein, nein – das ist es nicht. Hier geht es nicht darum, sadistischen Veganerfeinden mittels Visualisierung am lebenden Objekt das Wasser im Mund zusammenlaufen zu lassen – hier geht es um possierliche Tierchen, die keinen echten Nutzwert haben, aber so etwas wie amerikanische Tradition verkörpern.
    Nun könnten Sie, werte Leser, nicht ganz zu Unrecht einwenden, dass sich die Worte »amerikanisch« und »Tradition« nicht viel besser vertragen als »Parkinson« und »Mikado«. Der US -Bürger rechnet bekanntlich schon die Erfindung halbautomatischer Feuerwaffen der Antike zu. Doch im Peabody weiß man auch Anfänge zu würdigen, die nicht in der Steinzeit liegen und dennoch eine Art rustikalen Charme der Gründerjahre versprühen.
    Die Geschichte der besagten Enten beginnt im Jahr 1933, als Hotelmanager Frank Schutt zusammen mit einem Freund von einem Jagdausflug aus Arkansas zurückkehrt. Die beiden – möglicherweise keine ausgesprochenen Abstinenzler und Überlebende der Prohibition – hielten es für eine ausnehmend witzige Idee, einige der Enten, die sie als Köder benutzt hatten, in den Hotelbrunnen zu setzen. Nun war und ist dieser Brunnen nicht eben riesig, sodass die Fünf im Zusammenhang mit den Enten zur magischen Zahl wurde – ansonsten hätten militante Tierschützer schon längst eingegriffen und den zu knapp bemessenen Lebensraum der Viecher angeprangert.
    Tatsächlich waren die Hotelgäste begeistert, und so bekamen schon bald fünf Enten ein festes Zuhause im Brunnen sowie eine komfortable Übernachtungsgelegenheit auf dem Hoteldachboden, von dem aus sie jeden Vormittag um elf Uhr zum Schwimmen und um siebzehn Uhr wieder zurückgeführt wurden. Ab 1940 übernahm die Aufgabe des »Entenmeisters« der Hotelpage Edward Pembroke, der sich somit als erster Vertreter seines Berufsstandes feiern lassen konnte und in Memphis angeblich nur unwesentlich weniger populär war als der bereits erwähnte Mr. Presley. Pembroke war es auch, der den Tieren das rhythmische Watscheln zur Musik beibrachte – ein Schauspiel, das seitdem den ebenfalls einzigartigen Namen »Peabody-Entenmarsch« trägt. Wer’s ganz genau wissen will: Die Enten watscheln zur Melodie von John Philip Sousas »King Cotton March«.
    Pembroke war für diese Arbeit wie geschaffen, denn wie’s der Zufall wollte, hatte er vor seiner Karriere als Page Zirkustiere trainiert. Und er waltete seines einzigartigen Amtes bis 1991 – über ein halbes Jahrhundert also.
    Den Entenmarsch kann man noch immer täglich um elf Uhr und um siebzehn Uhr beobachten. Heute heißt der Entenmeister Jason Sensat; ihm obliegen mittlerweile auch Pflege und Training der Vögel. Wenn eines der Tiere den wohlverdienten Abflug in die ewigen Jagdgründe macht, wird der Leichnam diskret entsorgt (Nein, nicht gegessen. Ehrensache. Enten tauchen übrigens auch auf der Speisekarte des Hotels überhaupt nicht auf.), und es
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