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Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten

Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten

Titel: Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten
Autoren: Knut Krueger
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Blutspur zu hinterlassen. Ihr Kopf war Gott sei Dank unversehrt, doch hatte sie nicht nur an den Beinen, sondern auch an beiden Händen schmerzhafte Schnittwunden davongetragen.
    Plötzlich hörte sie ein lautes Rascheln und Knacken und ging rasch hinter dem nächsten Stamm in Deckung. Etwa dreißig Meter von ihr entfernt erkannte sie seine bullige Gestalt, die durch das Dickicht pflügte. Doch bewegte er sich in gerader Linie von der Hütte weg, genau wie sie vermutet hatte. Sie wartete so lange, bis er zwischen den Bäumen verschwunden war, ehe sie ihren Weg in seitliche Richtung fortsetzte. Meter für Meter kämpfte sie sich durch das sumpfige Terrain und hatte bald jede Orientierung und jedes Zeitgefühl verloren …
    Inzwischen war es taghell geworden, sofern man in diesem düsteren Wald davon sprechen konnte. Sie lehnte sich erschöpft an den rauen Stamm einer Kiefer und spürte plötzlich das saugende Loch in ihrem Magen. Die staubigen Kekse, die ihr der Mann gestern Nachmittag gnädigerweise überlassen hatte, waren das Letzte gewesen, was sie zu sich genommen hatte. Ihre Kehle brannte vor Trockenheit. Sie ging in die Hocke, schmolz ein wenig Schnee in den Händen und trank das eiskalte Wasser. Danach nahm sie noch mehr Schnee und säuberte die Wunden ihrer Hände damit.
    Immer wieder ließ sie ihren Blick in die Runde schweifen, aus Angst, der Mann mit dem Bulldoggengesicht könnte plötzlich durch das Gestrüpp brechen und sie entdecken. Franziska hatte keine Ahnung, in welcher Richtung die Stadt lag, wo die Hütte war und wohin sie sich wenden sollte. Vielleicht konnte sie dem Mann entkommen, doch fragte sie sich beklommen, wann ihre Kräfte sie im Stich lassen würden. Ihre Jeans war schon halb durchgeblutet. Wenn sie sich immer weiter in der Unendlichkeit der Nordmarka verlor, dann war es nur eine Frage der Zeit, wann sie entkräftet zusammensinken und jämmerlich erfrieren würde. Oder verhungern. Oder beides.
    Sie biss die Zähne zusammen und stapfte weiter, Schritt für Schritt, während sich ihre Augen mit Tränen füllten. Ihre Füße waren eiskalt, doch zumindest hatten die Gummistiefel sie trocken gehalten.
    Irgendwann hörte sie auf, nach ihrem Verfolger Ausschau zu halten. Ließ den Kopf hängen und trottete wie in Trance vor sich hin. Ein heftiger Schwindel hatte sie erfasst und ließ sie zwei Mal über ihre eigenen Füße stolpern. Als sie mühsam wieder auf die Beine kam, sah sie den blanken Spiegel eines Sees durch die Bäume schimmern. Sie wankte darauf zu und erkannte, dass es sich um einen kleinen, von schlanken Birken umstandenen Weiher handelte, an dem ein schmaler Spazierweg vorbeiführte. Es war der erste Weg, auf den sie seit ihrer Flucht aus dem Schuppen stieß. Sie kauerte sich ins Tannengrün und fragte sich, ob sie es wagen konnte, bis zum Ufer zu gehen, um etwas zu trinken. Ob sie es riskieren durfte, aus dem Schutz des Dickichts herauszutreten und sich auf der nahezu kreisrunden Lichtung zu zeigen, in deren Mitte der See lag. Obwohl das Wasser fast schwarz aussah, übte es eine magische Anziehungskraft auf sie aus.
    Schließlich siegte ihr quälender Durst über die Angst, von ihrem Verfolger entdeckt zu werden. Ihre Augen wanderten in höchster Konzentration um den Weiher herum, ohne etwas Verdächtiges zu erblicken. Dann überquerte sie mit zwei, drei raschen Schritten den Weg, ging am Ufer in die Knie und schaufelte sich mit beiden Händen kaltes Wasser in den Mund. Für einen Moment dachte Franziska, dass sie nie zuvor in ihrem Leben Wasser als solche Köstlichkeit empfunden hatte.
    Als sie sich aufrichtete, hatte sie neuen Mut gefasst. Sie wandte sich nach links und betrat den schmalen Weg, der nach wenigen Metern wieder in den dichten Wald hineinführte. Wenn sie Glück hatte, verlor er sich nicht im Nirgendwo, sondern traf irgendwann auf einen breiteren Weg, der ihre Rettung bedeuten konnte.
    Sie drehte sich noch einmal herum, um einen letzten Blick auf den Weiher zu werfen, als sie auf der gegenüberliegenden Seite, zwischen den Tannen, eine Bewegung wahrnahm. Mit einem Anflug von Panik setzten sich ihre Beine wie von selbst in Bewegung, als der Mann mit dem Bulldoggengesicht durch das Gestrüpp brach, ans Ufer trat und sich suchend umschaute. Erschrocken zog sich Franziska in den Schatten der Bäume zurück. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie glaubte nicht, dass der Mann sie gesehen hatte, doch mochte er nur etwa hundert Meter von ihr entfernt sein.
    Mit tastenden
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