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Tatjana

Tatjana

Titel: Tatjana
Autoren: Tathana Cruz Smith
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schlimmste Ort, an dem man landen kann, aber genau darauf stürzte er zu. Über wessen Fuß er stolperte, wusste er nicht, nur dass zwei Einsatzpolizisten auf seinen Rippen zu tanzen begannen. Tja, dachte er mit Viktors Worten, das ist wirklich Scheiße.
    Er kam auf die Füße, ohne zu wissen, wie, und zeigte seinen Ermittlerausweis.
    »Der gehört zu uns?« Der eine Polizist ließ seine Faust sinken. »Wäre ich nie drauf gekommen.«
    In Minutenschnelle war die Schlacht vorbei. Die Skinheads sprangen über den Zaun und verschwanden. Die Polizisten machten ihre Runde unter den Verletzten und sammelten Ausweise ein. Arkadi sah aufgeplatzte Lippen und blutige Nasen, doch der wahre Schaden war den Lebensgeistern der Demonstranten zugefügt worden. Den ganzen Nachmittag hatten sie die Leidenschaft ihrer Jugend wiederaufleben lassen, standen wieder mit Jelzin auf einem Panzer, trotzten erneut dem Apparat des KGB . Diese berauschenden Tage waren vorbei, in sich zusammengefallen, und alles, was die Demonstranten davongetragen hatten, waren Blutergüsse und Schrammen.
    Arkadis Auge war zugeschwollen, und nach Anjas Reaktion war er froh, sich nicht sehen zu können. Sie wiederum sah aus, als hätte sie höchstens eine Achterbahnfahrt hinter sich. Obolenski hatte sich verdrückt. Der Dichter Maxim war ebenfalls verschwunden. Zu dumm. Bei ihm hatte man das Gefühl gehabt, im Kampf einen Yeti zur Seite zu haben.
    Ein Polizeihauptmann brüllte: »Versammlung ohne Genehmigung, Verbreitung böswilliger Gerüchte, Behinderung von Polizeikräften.«
    »Die unschuldige Zivilisten angegriffen haben«, sagte Arkadi.
    »Hatten die eine Genehmigung für die Versammlung? Ja oder nein? Sehen Sie, da fangen die Probleme an, mit Leuten, die glauben, sie wären etwas Besonderes und stünden über dem Gesetz.«
    »Leute, die geschlagen wurden.« Irgendwie, kraft seines Ranges, war Arkadi zum Sprecher der Demonstranten geworden.
    »Unruhestifter, die Polizisten brutal mit Ziegelsteinen und Eisenstangen angegriffen haben. Wer ist noch mal Ihr Chef?«
    »Staatsanwalt Surin.«
    »Guter Mann.«
    »Einer unter Millionen. Entschuldigen Sie, Hauptmann. Ich habe mich nicht klar ausgedrückt. Diese Leute hier sind Opfer, und sie brauchen ärztliche Versorgung.«
    »Sobald wir die Sache geklärt haben. Als Erstes werden alle Kameras eingesammelt. Alle Kameras und Handys.«
    »In einem Müllsack?«
    »Auf diese Weise werden wir in der Lage sein, alles anzuschauen und objektiv alle Verstöße zu beurteilen. Wie zum Beispiel …«
    Arkadi zuckte zusammen, weil das Lachen so wehtat. »Sehen diese Leute aus, als könnten sie jemanden angreifen?«
    »Das sind Schriftsteller, Künstler, intellektuelle Huren. Wer weiß, wozu die fähig sind.«
    Der Müllsack kam zurück, und der Hauptmann hielt ihn für Anja auf. »Jetzt Ihre.«
    Arkadi wusste, dass sie dem Hauptmann am liebsten ein Messer ins Herz gestoßen hätte. Gleichzeitig war sie gelähmt durch die Drohung, ihre Kamera zu verlieren.
    »Sie gehört zu mir«, sagte er.
    »Machen Sie sich nicht lächerlich. Sie ist weder Ermittlerin noch von der Miliz.«
    »Auf besondere Anordnung von Staatsanwalt Surin.«
    »Ach? Ich sag Ihnen was, Renko, lassen Sie uns im Büro des Staatsanwalts anrufen. Fragen wir ihn doch selbst.«
    »Ich bezweifle, dass er jetzt im Büro ist.«
    »Ich habe seine Handynummer.«
    »Sie sind befreundet?«
    »Ja.«
    Arkadi war in eine selbst gemachte Falle getappt. Er fühlte sich benommen und hörte ein Pfeifen in seiner Brust. Beides war nicht gut.
    Am anderen Ende klingelte immer wieder ein Telefon, bis schließlich eine Ansage ablief. Der Hauptmann beendete das Gespräch. »Der Staatsanwalt ist in seinem Golfklub und möchte nicht gestört werden.«
    Die Sache war immer noch unentschieden, als eine wuchtige Limousine aus der Dunkelheit anrollte. Ein verblüffender Anblick, Maxim Dal in einem silbernen Zil zu sehen, einer Limousine aus der Sowjetzeit mit doppelten Scheinwerfern, Heckflossen und Weißwandreifen. Sie musste mindestens fünfzig Jahre alt sein. Dal befahl mit autoritärer Stimme, Anja und Arkadi sollten einsteigen.
    Ihm war, als würden sie an Bord eines Raumschiffs aus der Vergangenheit gehen.

3
    A nja war eine furchtbare Krankenschwester. Wenn sie zu kochen versuchte, roch Arkadi Angebranntes und hörte sie Töpfe und Pfannen verfluchen. Wenn sie in seiner Wohnung schrieb, roch er ihre Zigaretten und hörte, wie sie auf ihren Laptop fluchte. Doch ihre Geduld überraschte
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