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Tao Te Puh

Tao Te Puh

Titel: Tao Te Puh
Autoren: Benjamin Hoff
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Puh.
     
    Auch unserer. Wir wundern uns nur, daß die Gelehrten nicht viel davon halten. Vielleicht sind sie zu konfuz, weil sie soviel über andere Tage nachdenken.
    Ein ziemliches Ärgernis mit den Gelehrten ist auch, daß sie immer große Worte verwenden, die manche von uns gar nicht verstehen können...
    „Nun denn“, sprach Eule, „die gebräuchliche Verfahrensweise in solchen Fällen ist folgende.“
    „Was bedeutet geräucherte Vorfahrenspeise?“ fragte Puh. „Ich bin nämlich ein Bär mit sehr wenig Verstand, und lange Wörter sind mir zu schwer.“
    „Es bedeutet das, was zu tun ist.“
    „Wenn es das bedeutet, habe ich nichts dagegen einzuwenden“,
    sagte Puh bescheiden.
     
    . . .und manchmal hat man den Eindruck, als wären diese einschüchternden Worte dazu da, uns vom Verstehen abzuhalten. Auf diese Weise können die Gelehrten den Anschein von Überlegenheit erwecken und geraten nicht so leicht in den Verdacht, etwas nicht zu wissen. Schließlich ist es ja aus gelehrter Sicht ein regelrechtes Vergehen, nicht alles zu wissen.
    Manchmal ist Gelehrtenwissen auch so schwer zu verstehen, weil es nichts mit unserer eigenen Erlebniswelt zu tun hat. Mit ändern Worten: Wissen und Erleben sprechen nicht unbedingt dieselbe Sprache. Aber ist nicht das vom Erleben herrührende Wissen kostbarer als das andere Wissen? Für manche von uns steht doch eigentlich fest, daß eine Menge Gelehrter nach draußen gehen und herumschnuppern müßten — durchs Gras laufen und mit den Tieren reden sollten, oder so etwas.
     
    „Eine Menge Leute reden mit Tieren“, bemerkte Puh.
    „Mag sein, aber...“
    „Aber nur wenige hören zu“, fuhr er fort.
    „Und das ist das Problem“, schloß er.
     
    Man könnte also sagen, daß zum Wissen mehr gehört als bloßes Rechthaben. Der Mystiker und Dichter Han-shan schreibt:
     
    Ein Gelehrter mit Namen Wang
    belachte meine Gedichte.
    Falsche Betonungen,
    sagte er,
    zu viele Takte;
    das Versmaß sei schlecht,
    die Wortwahl willkürlich.
    Ich belache seine Gedichte,
    wie er die meinen belacht,
    klingen sie doch,
    als würde ein Blinder
    die Sonne besingen.
     
    Wie oft kommt man immer mehr durcheinander, weil man sich wie ein Gelehrter mit relativ unwichtigen Sachen abmüht. Puh hat den konfusianischen Geisteszustand recht genau beschrieben:
     
    Am Montag, wenn die Sonne scheint,
    frag' ich mich oft, wie was gemeint:
    Wie finde ich in Wahrheit das,
    was welches ist und welches was?
     
    Am Dienstag Schnee- und Hagelschauer,
    da weiß ich dann schon eins genauer:
    Nur sehr, sehr wenige verstehn es,
    ob jenes dies und dieses jenes.
     
    Am Mittwoch, wenn der Himmel blaut,
    leg' ich mich auf die faule Haut
    und wundere mich still fürbaß,
    daß was ist wer und wer ist was.
     
    Am Donnerstag ist's wieder kalt,
    und Rauhreif schimmert auf dem Wald:
    Jetzt kann man endlich klar ermessen,
    wes was ist - doch was ist dann wessen?
     
    Am Freitag -
     
    Ja, wessen ist hier überhaupt was? Den vertrockneten Gelehrten ist das allerwichtigste auf dieser Welt, Dinge zu benennen: Baum, Blume, Hund. Aber verlang nur nicht, daß sie den Baum beschneiden, die Blume pflanzen oder für den Hund sorgen, es sei denn, du machst dich auf unliebsame Überraschungen gefaßt. Was lebendig ist und wächst, wächst ihnen anscheinend über den Kopf.
    Immerhin sind Gelehrte in ihrer stumpfsinnigen, unergötzlichen Art gelegentlich doch auch nützlich und notwendig. Sie liefern jede Menge Informationen. Nur fehlt meist das gewisse Etwas, und dieses gewisse Etwas ist genau das, worauf es im Leben wirklich ankommt.
     
    Puhh. „Sag mal, Puh, hast du meinen andern Bleistift gesehen?“
    ,,Eule hat ihn vor kurzem benutzt“, gab Puh zur Antwort.
    „Ach ja, hier ist er. Was ist denn das? ,Knustwerke und ihre Verfremdungen'.“
    „Wie bitte?“ sagte Puh.
    „,Knustwerke und ihre Verfremdungen’ — worüber Eule gerade geschrieben hat.“
    „Oh, darüber also?“ bemerkte Puh.
    „Na so was, dieser Bleistift ist ganz zerkaut.“
     
    Noch eine komische Sache mit dem Wissen des Gelehrten, des Wissenschaftlers und so weiter ist die: Dauernd will er das Wesen vom unbehauenen Klotz — das, was er Unwissenheit nennt — für Schwierigkeiten verantwortlich machen, die er selbst direkt oder indirekt durch seine eigene Beschränktheit, Kurzsichtigkeit oder Saumseligkeit verursacht hat. Wenn du zum Beispiel dein Haus dahin baust, wo es der Wind umblasen kann, und es dann auseinanderfällt, während du dir gerade
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