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Tanz mit dem Engel

Tanz mit dem Engel

Titel: Tanz mit dem Engel
Autoren: Ake Edwardson
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seiner Einstellung zum eigenen Gedächtnisverlust, dachte Winter. Bölger glaubte, er könnte sich auch nicht an mehr erinnern, wenn er mehr Zeit bekäme oder mehr Leitfäden zur Stütze der Erinnerung.
    Es ist wie ein Dauerfrost über der Welt, dachte Winter. Als einziges kann uns eine gewaltige Explosion im Hirn retten, die Opfer vor der großen Unwissenheit retten.
    »Bist du noch da?« fragte Macdonald.
    »Ich bin noch da.«
    »Also kein Zurück.«
    »Es ist die einzige Möglichkeit.«
    »Weißt du, was das kostet?«
    »Geld bedeutet mir nichts«, sagte Winter.
    »Das hatte ich vergessen«, sagte Macdonald.
    Er suchte nach einem besonderen Ereignis, und wenn ihm das einfiele, fände er die Antwort. Dann wäre alles vorbei.
    Wie viele Stunden hatte er nun den vergangenen Jahren gewidmet? Die ersten Jugendjahre, als er und Bölger so eng zusammen waren.
    Wie war das gewesen?
    Es war ein Wettkampf gewesen. Keiner hatte etwas gesagt, aber es war ein Wettkampf gewesen. Und er, Winter, hatte immer gewonnen. Oder er hatte immer recht bekommen, was vielleicht auf das gleiche hinauslief.
    Er saß in der Stille der Nacht. Das einzige, was zu hören war, waren die spärlichen Geräusche der Stadt, als Stütze für seine Erinnerung aus den Jahren in diesem Göteborg, dort unten hinter dem Balkon.
    Er wußte, daß Bölger wegen psychischer Schwierigkeiten eingewiesen worden war, daß er behandelt worden war, aber nur während einer kurzen Zeit, wie im geheimen. Nein. Es war geheim gewesen, niemand hatte es erfahren dürfen. Bölger hatte einen Vater, der war wie Stacheldraht, der war in Schichten um die Geheimnisse der Familie gerollt.
    Winter und Bölger waren immer zusammengewesen, und Bölger hatte immer einen Schritt schräg hinter ihm gestanden.
    Winter hatte sich selten umgesehen. Was für ein Gefühl war es gewesen, dort zu stehen?
    War das eine Vereinfachung? In diesem Fall war sie das, was er suchte, die Vereinfachung. Die Erklärung.
    Die sehen mich komisch an im Palast, dachte er. Oder waren es die Gespenster in seinem Hirn, die bewirkten, daß er sich Dinge einbildete?
    Es mochte eine nachträgliche Erklärung sein, als ein Teil des Gespenstes, aber Winter konnte den Zeichen der letzten Monate wie einem dünnen, aber deutlichen Faden von Mitteilungen rückwärts folgen. Einem Leitfaden.
    Es waren Worte gewesen und Musikstücke, als hätte Bölger alles lange im voraus geplant: Wenn du so phantastisch bist, müßte das hier dir einen Gedanken in Richtung voraus geben. Jetzt dachte Winter wieder daran.
    Der Kamerad hatte ihn herausgefordert. Falls das das richtige Wort war. Es lag etwas Unausgesprochenes in den Handlungen, deutlich, aber beiseite gestellt. Einen Schritt schräg dahinter. Bölger hatte gewußt, daß er nach London kommen würde. Er durchschaute ihn.
    Alles, was gesagt worden war. Es gab keine Zufälle. Alles fand sich im Bericht.
    Oder ich träume, dachte Winter, es sind Tage und Nächte von Träumen gewesen. Vielleicht ist das alles eine große Illusion. Alles ist unbegründet, eine irrige Meinung. Die Hoffnung, daß die Arbeit gelungen ist, daß wir den richtigen Täter haben, hat keinen Sinn.
    Wünsche ich mir, daß ich richtig oder falsch liege? Ich weiß es nicht.
    Winter versuchte, mit sich selbst zu sprechen. Es geht nicht um dich. Du bist austauschbar. Es geht um etwas, das wir noch nicht kennen. Du bist nur ein Objekt. Es könnte jeder x-beliebige sein. Es sind Taten, die von deiner Hand nicht ungeschehen gemacht werden können.
    Er erinnerte sich wieder. Die Erinnerungen waren wie ein Fotoalbum und ein Tagebuch nebeneinander. Er ließ die Ereignisse hinter sich, die nicht die richtigen waren. Etwas war geschehen, aber er sah es nicht. Ich bin auch nur ein Mensch, dachte er und stand auf.
    Zwei Tage noch, wenn unterdessen nichts anderes passierte.
    Er spritzte sich Wasser ins Gesicht und fiel ins Bett. Keine Träume.

47
    Sie führten Bölger zum ersten Stock hinunter. Winters Hals war wie zugeschnürt, er fühlte sich, als reichte die Luft um ihn herum nicht aus.
    Einmal stützte sich Bölger gegen die Flurwand. Er hatte Winter mit Augen ohne Pupillen angesehen. Dann hatte er gesprochen, wie zu einem Kameraden, beide draußen auf einer Wanderung zum Meer.
    Er hatte Winter gefragt, was sie machen wollten, wenn dieser Scheiß hier vorbei wäre.
    Vor der Tür zu dem Zimmer wurde er wieder verschlossen, in sich selbst eingesperrt. Er sagte etwas, das keiner hören konnte. Er stützte sich gegen
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