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Tanz mit dem Engel

Tanz mit dem Engel

Titel: Tanz mit dem Engel
Autoren: Ake Edwardson
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Tatverdächtiger sich bei schweren Verbrechen auf Gedächtnisverlust beruft.«
    »Ich habe meine Zweifel«, sagte Winter. »Irgendwie weiß ich es, aber ich zweifle. Wie die Dinge liegen, sollte ich die Ermittlung vielleicht lieber in kompetentere Hände übergeben. Oder kühlere.«
    Am anderen Ende war es still. Winter hörte den eigenen Atem.
    »Ich habe mit den Experten gesprochen«, fuhr Winter fort, »sie arbeiten an einem... Profil.«
    »Ich persönlich habe großen Respekt vor der Gerichtspsychologie«, sagte Macdonald.
    »Ja.«
    »Aber Gedächtnisverlust kann simuliert sein, wie du weißt, ein Versuch, einem Geständnis zu entkommen.«
    »Ja.«
    »Oder er kann echt sein. Dann wird es ein wenig schwieriger für uns, nicht wahr? Da begeben wir uns auf eine neue unbekannte Reise.«
    Winter antwortete nicht.
    »Ist es nicht so, Erik?«
    »Er wird nie während eines Verhörs gestehen«, sagte Winter.
    »Ich weiß, wer er ist, und er wird nie gestehen.« »Bist du dir da sicher?«
    »Ich weiß warum.«
    »Dann mußt du es mir berichten.«
    »Bald. Wenn ich die Gedanken fertig gedacht habe. Ins reine geschrieben.«
    »Ins reine geschrieben?«
    »Den Bericht hier ins reine geschrieben.«
    Macdonald wartete, aber Winter sagte nichts mehr. Winter hörte das Atmen des Kollegen, als ob Macdonald mitten im englischen Frühling eine Erkältung aufgelesen hätte.
    »Wie sieht es bei Frankie aus?« fragte Winter.
    »Glaube nicht, daß er sich in etwas hineinziehen läßt, das gefährlich für die Gesundheit ist«, sagte Macdonald.
    »Aber wie steht es um ihn? Wonach sucht er? Dieses Gerede von Folter?«
    »Ich weiß es tatsächlich nicht«, sagte Macdonald, »aber er hat heute morgen eine Nachricht für mich hinterlassen. Ich habe zurückgerufen, aber er war nicht da.«
    »Möglich, daß er etwas gefunden hat«, sagte Winter.
    »Frankie? Man kann nie wissen.« »Vertraust du ihm?« »Kommt darauf an, was du meinst.« »Du weißt, was ich meine.«
    »Frankie mag schwarz sein, aber er hat eine schneeweiße Seele.«
    »Würde er dieses Urteil schätzen?«
    »Wenn er Abstand dazu gewonnen hat. Aber ich melde mich sofort, wenn er etwas zu sagen hat, was du wissen mußt.«
    »Gut.«
    »Das mit der Erinnerung«, sagte Macdonald. »Wir haben Zahlen, die zeigen, daß ungefähr dreißig Prozent von denen, die die schwersten Gewaltverbrechen begehen, behaupten, sie könnten sich nicht erinnern, was passiert sei.«
    »Ich glaube, das ist bei uns genauso«, sagte Winter, »ähnliche Zahlen.«
    »Wir haben viele Simulanten, man meint, sie hätten eine naive Hoffnung, der Verantwortung zu entgehen.«
    »Ja.«
    Aber Winter wußte, daß man Gedächtnislücken ernst nehmen mußte. Er war ein professioneller Ermittler, und wenn man der Wahrheit bei der Ermittlung so nahe wie möglich kommen wollte, mußte die Gedächtnislücke diagnostiziert werden. Die psychogene Amnesie, dachte er. So hieß das. Psychogene Amnesie.
    »Aber viele Schuldige mit Gedächtnisverlust hatten irgendwann früher im Leben psychische Probleme«, sagte Winter.
    Er hatte mit Leuten gesprochen, die sich auskannten. Die Amnesie konnte den Zeitpunkt des Verbrechens umfassen. Oder sie konnte sich als Identitätsverlust mit einer Veränderung der Persönlichkeit über mehrere Tage äußern. Oder als Persönlichkeitsspaltung.
    Winter war während des Gesprächs mit dem Experten erschrocken. Er hatte die beschriebenen Blätter übergeben, die er bei Bölger zu Hause gefunden hatte. Die Fotografie. Von anderem berichtet, im Verborgenen gesucht.
    Er hatte erfahren, daß die Ursache für wirklichen Gedächtnisverlust ein früher erlebtes Trauma oder ein tiefgehender, stark gefühlsbefrachteter Konflikt des Täters sein konnte. Daß das Verbrechen mit starken Gefühlen und extremem Streß verbunden war und daß der Täter keine Angst wegen des Gedächtnisverlustes zeigte.
    Bölger zeigte keine Angst. Er schwankte zwischen Desinteresse und Hohn, bekam dunkle Augen und behauptete, vergebens in der Erinnerung zu suchen, bewegte sich wie im Schlaf.
    Aber es gab auch sichtbare Merkmale eines gespielten Gedächtnisverlustes. Winter hatte es während eines langen Nachmittags diskutiert, hatte es im Christianson och Wentz nachgeschlagen.
    Man mußte aufpassen, ob der Verlust des Gedächtnisses unmittelbar nach dem Verbrechen auftrat. Und ob die Amnesie bei verschiedenen Verhörsgegebenheiten variierte.
    So verhielt es sich bei Bölger. Sie variierte. Auch war er auffallend hartnäckig in
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