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Tanz im Mondlicht

Tanz im Mondlicht

Titel: Tanz im Mondlicht
Autoren: Luanne Rice
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immer noch mit der Wäsche beschäftigt war. Sie räusperte sich.
    »Was gibt’s, Mom?«
    »Musst du nicht los?«, fragte sie, unfähig, ihre Ungeduld noch länger im Zaum zu halten.
    »Habe ich vergessen, dir Bescheid zu sagen?«, fragte Sylvie ohne aufzublicken, während sie ein Paar gestreifte Schlafanzughosen zusammenlegte. »Jane nimmt ein Taxi.«
    Margaret blieb der Mund offen. Sie beugte sich mit einem Ruck vor, als wollte sie sich aus dem Bett stürzen. Sie würde selbst zum Bahnhof fahren, wenn es nicht anders ging.
    »Was soll sie von uns denken? Sie wird gekränkt sein und das Gefühl haben, nicht willkommen zu sein, sie wird …«
    Sylvie warf ihr ein schalkhaftes Lächeln zu. »Das war nur ein Scherz. Ich hole sie ab.«
    Margaret versuchte, das Lächeln zu erwidern, was nicht ganz gelang. Sie fühlte sich innerlich aufgewühlt, wie aus der Bahn geworfen. Es war kein Zuckerschlecken, Mutter von zwei derart dünnhäutigen Töchtern zu sein. Jane nicht am Bahnhof abzuholen – ein solches Versäumnis würde möglicherweise einen heimlichen Groll entfachen, der dazu führen konnte, dass sie ihrem Elternhaus für die
nächsten
zehn Jahre fernblieb.
    »Ist der dicke Brocken fertig?«, fragte Margaret.
    »Der was?«
    »Die Hochzeitstorte.«
    »Mom, wonach fragst du mich?« Sylvie hatte die Wäsche endlich zusammengelegt und eilte zum Bettrand.
    Margaret lächelte, obwohl sie einen Anflug von Panik verspürte. Sie kannte das Wort, nach dem sie suchte, es lag ihr auf der Zunge.
    »Mom?«, fragte Sylvie erneut.
    Vor sechzig Jahren, als sie den Orthographiewettbewerb in derselben kleinen Stadt gewonnen hatte – wie Jane Jahre später und Sylvie nach ihr –, hatte Margaret ähnliche Situationen erlebt. Sie kannte das Wort, hatte die richtige Schreibweise im Kopf, doch die Reihenfolge der Buchstaben war ihr im Moment entfallen. Sie fiel ihr erst dann ein, wenn sie sich konzentrierte, ihr ganzes Augenmerk darauf richtete.
    »Ist der …«, begann Margaret aufs Neue. Irgendetwas sollte fertig sein. So viel war klar, also musste sie sich nur daran erinnern, was es war. Damit sie ihre Frage vervollständigen konnte, ohne dass Sylvie ihre Zerstreutheit bemerkte. Sie redete sich ein, dass sie ihre Tochter nicht beunruhigen wollte, aber dahinter lauerte eine schlimmere Angst: Sie wollte um jeden Preis vermeiden, dass Sylvie sie in das gleiche Pflegeheim steckte, in dem Margaret ihre eigene Mutter untergebracht hatte.
    »Wolltest du wissen, ob Janes Zimmer fertig ist?«, sprang Sylvie in die Bresche, und Margaret hätte am liebsten ihre Hand ergriffen und vor Erleichterung geseufzt. Stattdessen riss sie sich zusammen und tat, als sei die Verwirrung, die sich ihrer Gedanken bemächtigt hatte, eine Lappalie. Vielleicht hatte Sylvie sie nicht einmal bemerkt.
    »Ja, genau. Ist es fertig? Mit Sicherheit, wie ich dich kenne. Du bist ein Schatz, Sylvie. Wie du dich immer um das Haus und um mich kümmerst, und …«
    »Es ist alles bereit«, antwortete Sylvie ruhig und rückte ein Buch im Regal zurecht, so dass es eine einheitliche Front mit dem benachbarten bildete.
    »Meine Kleine.« Margaret ergriff ihre Hand. Sie streichelte die zarten Finger, dachte daran, was für ein Porzellanpüppchen Sylvie zeit ihres Lebens gewesen war. Alle drehten sich nach ihr um, in der Schule, im Einkaufszentrum. Und mit dreiunddreißig war sie immer noch eine Schönheit ersten Ranges. Nicht, dass Jane weniger attraktiv gewesen wäre – sie entsprach nur nicht dem klassischen Schönheitsideal. Sie war ein wenig anders.
    »Einzigartig«, sagte Margaret laut. »Ihr seid etwas ganz Besonderes, jede auf ihre eigene Art.«
    »Steh ja nicht auf, sondern bleib bitte im Bett, während ich weg bin, ja?«, schärfte Sylvie ihr ein. »Ich möchte nicht, dass du hinfällst.«
    »Beide ausnehmend hübsch, klug, begabt. Kaum zu glauben, dass deine Schwester nach Hause kommt. Dass ich meine beiden Mädchen wieder unter demselben Dach haben werde.«
    »Nicht für lange«, entgegnete Sylvie nüchtern und mit ausdruckslosem, unergründlichem Blick. »Mach dir keine allzu großen Hoffnungen, Mom. Du weißt, dass sie sehr beschäftigt ist.«
    Margaret lächelte. Als Kinder waren ihre Töchter ein Herz und eine Seele gewesen. Janes Geburt hatte sie glücklich gemacht, und ihre Freude kannte keine Grenzen, als sich das zweite Kind ebenfalls als Mädchen entpuppte und Jane eine Schwester bekam. Es hatte auch schwierige Zeiten gegeben … aber nun, da die
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