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Tanz im Mondlicht

Tanz im Mondlicht

Titel: Tanz im Mondlicht
Autoren: Luanne Rice
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Mädchen erwachsen waren und die Familie endlich wieder vereint sein würde, bot sich die Gelegenheit, einander
neu
kennen zu lernen.
    »Ich finde es himmlisch«, erklärte Margaret. »Ich fühle mich wie Marmee in
Betty und ihre Schwestern

    »Marmee hatte vier Töchter, nicht zwei.«
    »Zwei sind weiß Gott genug! Meine Mädchen haben Temperament für vier! Wer braucht schon vier, mit Töchtern wie dir und Sylvie!«
    »Ich bin Sylvie, Mom.« Ihre Stimme klang alarmierend.
    Margarets Magen verkrampfte sich. »Ich weiß. Ich habe Jane gesagt.«
    »Nein, du hast Sylvie gesagt. Aber egal. Ich weiß, was du meinst.«
    »Bist du sicher? Weil ich sagen wollte …«
    »Ich weiß. Du wolltest ihren Namen sagen. Bis später, Mom. Ich bin bald zurück. Steig nicht aus dem Bett.«
    »Versprochen. Ach, du bist so besorgt um mich!« Margaret lächelte sie an. Sie lächelte so strahlend wie möglich, um sich zu vergewissern, dass der Widerschein in ihren Augen zu sehen war. Sie musste Sylvie zeigen, wie sehr sie geliebt und geschätzt wurde. Keine Tochter hätte ihr mehr Zuneigung und Zeit widmen können. Sie brachte viele Opfer und hatte sich auf unbefristete Zeit beurlauben lassen, um die häusliche Pflege ihrer Mutter zu übernehmen. Es war Margaret ein Bedürfnis, Sylvie ihre Dankbarkeit zu bezeugen, vor allem jetzt – vor Janes Heimkehr.
    Niemand konnte Margaret vorwerfen, eine ihrer beiden Töchter zu bevorzugen. Sie hatte andere Fehler in ihrem Leben begangen, aber nicht diesen. Tief in ihrem Innern war sie gleichwohl davon überzeugt, dass der Mensch von Natur aus ungerecht war. Weil er immer, selbst wenn er noch so hart dagegen ankämpfte, Vorlieben hatte. Vor die Wahl gestellt, konnte er nicht umhin, sich ein Urteil zu bilden, abzuwägen und eine Entscheidung zu treffen, die – wie subtil oder heimlich auch immer – dem Herzen am nächsten stand.
    Die Herausforderung im Leben bestand stets darin, sie verborgen zu halten.
     
    Der Zug hatte Verspätung. Wie nicht anders zu erwarten war.
    Und nicht gerade wenig, sondern ganze vierzig Minuten. Anscheinend würde der Zug aufgrund der Bauarbeiten an den Gleisen in Kingston frühestens um halb vier in Twin Rivers eintreffen. Sylvie nahm es gelassen hin. Die Verspätung bot ihr die Chance, eine Weile allein zu sein. Sie hatte neuerdings sehr wenig Zeit für sich. Andererseits konnte sie das Wiedersehen mit ihrer Schwester kaum mehr erwarten, und dass sich ihre Ankunft verzögerte, war in gewisser Hinsicht typisch: Wenn es jemandem zuzutrauen wäre, einen ganzen Zugfahrplan durcheinanderzubringen, dann Jane.
    Sie vergewisserte sich noch einmal, dass der Zug tatsächlich Verspätung haben würde – nicht nur an der Anzeigentafel, sondern
auch
beim Bahnhofsvorsteher. Sylvie war für ihre Pünktlichkeit bekannt; sie kam
nie
zu spät. Da sie noch vierzig Minuten Zeit hatte, verließ sie mit ihrem Kombi den Parkplatz und bog auf die Route 1 ein.
    Durch die wirtschaftliche Entwicklung hatte sich die Landschaft um Twin Rivers drastisch verändert. Zwischen zwei Flüssen gelegen, nur wenige Meilen von der Narragansett Bay entfernt, hatte die kleine Stadt vor fünfzig Jahren harten Zeiten entgegengesehen, als die alten Webereien schlossen. Doch dann war eine riesige Maschinenfabrik in Crofton eröffnet worden, am anderen Ufer des Flusses, und in Twin Rivers begannen die Zulieferbetriebe wie Pilze aus dem Boden zu schießen.
    Die alten Farmen mit ihren roten Scheunen, Apfelbäumen und schwarz-weißen Kühen mussten weiteren Niederlassungen von Burger Hamlets, Bedding Heavens und Now-Marts weichen. Der Blick auf den Williams River und den Kanal wurde durch neue Häuser, Eigentumswohnungen und Heime für betreutes Wohnen versperrt.
    Die Obstplantagen, die den Kahlschlag überlebt hatten, waren idyllisch. Bald würden die Bäume in voller Blüte stehen. Der Frühling im Tal bot einen erinnerungswürdigen Anblick, und Sylvie war froh, dass Jane gerade jetzt nach Hause kam und ihn genießen konnte. Vielleicht würde er den Wunsch in ihr wecken, zu bleiben.
    Sylvie fuhr an den beiden Einkaufszentren vorüber, dem alten in Crofton und dem brandneuen für gehobene Ansprüche in Twin Rivers; Jane wusste noch nichts davon, und Sylvie fragte sich, wie sie die Neuigkeit aufnehmen würde, dass sich Langtrys in der Region angesiedelt hatte. Sie fuhr an der Audubon Grund- und Mittelschule vorbei, die Jane und sie besucht hatten.
    Danach waren sie auf die Twin Rivers High School gegangen,
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