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Tanz im Mondlicht

Tanz im Mondlicht

Titel: Tanz im Mondlicht
Autoren: Luanne Rice
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wo Sylvie – trotz des unbefristeten Urlaubs – als Schulbibliothekarin angestellt war. Sie wusste, dass sich ihre Mutter bisweilen fragte, ob das Leben anders verlaufen wäre, wenn sie Jane in die Klosterschule von Sacred Heart geschickt hätte, wo die Nonnen ihr alle Flausen ausgetrieben hätten. Aber der Ärger hatte nach der Highschool begonnen.
    Sylvie war der Überzeugung, dass es für alle Dinge im Leben eine Ursache gab – selbst wenn diese rätselhaft schien. Es musste Ordnung in der Welt herrschen, das Universum nach einer bestimmten Methode strukturiert sein. Ihr gefiel die Vorstellung, dass gute Taten letztlich belohnt und böse bestraft wurden. Das Problem war nur, dass die bösen Taten den guten Menschen Kummer und Leid brachten.
    Deshalb war Sylvie bestrebt, stets das Richtige zu tun. Das war vermutlich das A und O einer tüchtigen Bibliothekarin: Sie liebte die Ordnung. Angesichts des chaotischen Zustandes, in dem sich die Welt befand, und der Unmenge verfügbarer Texte, Dokumente und Informationen konnte man sich auf sie verlassen, wenn es galt, das Benötigte zu finden und es wieder an seinen Platz zurückzustellen, wenn es nicht mehr gebraucht wurde. Es gefiel ihr, anderen zu helfen.
    Sie fuhr an der Highschool vorbei. Da war die Bibliothek: sechs große Fenster im zweiten Stock, unmittelbar über dem Eingang an der Vorderseite des Gebäudes. Sie meinte die Bücher riechen zu können, den verwendeten Klebstoff für die Etiketten. Sie meinte die Ruhe zu spüren, die Energie, die von den Schülern ausging, wenn sie dort Recherchen durchführten und Hausaufgaben machten. Seufzend fuhr sie weiter. Sie musste vor ihrer Rückfahrt noch etwas überprüfen.
    John Dufours Wagen war da, stand auf dem Parkplatz der Stellvertretenden Direktorin. Er hatte sich einen neuen Subaru zugelegt – mit Allradantrieb. Sylvie wusste, dass er nicht nur Scrabble spielte, sondern noch zwei weitere Hobbys hatte, Ski laufen und Kajak fahren. Vermutlich würde er mit seinem neuen Wagen in die Wildnis fahren. Hoffentlich würde ihm nichts zustoßen. In diesem Jahr waren einige Schwarzbären in der Gegend gesichtet worden.
    Sie blickte auf die Uhr und sah, dass es an der Zeit war, zum Bahnhof zurückzukehren. Die Fahrt dauerte genau sieben Minuten: acht, wenn sie die Rotphase an der Ampel vor der Steamboat Mall erwischte. Je näher der Augenblick des Wiedersehens kam, desto mehr verkrampfte sich ihr Magen. Sie hatte vermieden, lange darüber nachzudenken. Manchmal war sie sicher gewesen, dass es nie mehr dazu kommen würde – Jane lebte nun in New York, hatte ihre Kleinstadt-Wurzeln gegen die Großstadt eingetauscht.
    In Anbetracht dessen, was Jane für ihre Heimatstadt empfinden musste, konnte Sylvie verstehen, dass sie keine Lust hatte, zurückzukommen. In gewisser Hinsicht war es für alle am besten, wenn sie wegblieb. Doch im Moment befand sich ihre Mutter in einer schwierigen Situation und brauchte beide Töchter, die ihr bei der Entscheidung halfen, wie es weitergehen sollte. Sylvie war erschöpft und mit ihrem Latein am Ende.
    In viereinhalb Minuten sollte der Zug eintreffen. Sylvie zitterte vor Anspannung und einem seltsamen Anflug von Angst. Unfassbar, dass Jane tatsächlich kam – sie hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan, hatte damit gerechnet, dass das Telefon läuten und Jane ihren Besuch in letzter Minute mit einer fadenscheinigen Ausrede absagen würde. Nicht, dass es Sylvie gewundert hätte, beileibe nicht.
    Aber das Telefon hatte nicht geläutet; Jane hatte nicht abgesagt. Ihre große Schwester kehrte nach Hause zurück.
    Und Sylvie fragte sich, wie lange es dauern würde, bis sie wieder abreiste.
     
    Die Bahnlinie verlief entlang der Küste, von New York nach Providence bis hinunter nach Boston. Sie führte durch Städte und Dörfer, Felder und Marschen. Wenn der Zug in Richtung Osten die Landschaft zwischen Fluss und Bucht passierte, konnte man ihn von einem Ende des Twin-River-Tals bis zum anderen pfeifen hören.
    Dylan Chadwick, der auf seiner Apfelplantage in Crofton arbeitete, hörte ihn. Immer, wenn er den Zug vernahm, stellte er sich Amanda und Isabel darin vor. Er stellte sich vor, wie sie an idyllische, entlegene Fleckchen Erde fuhren und sich die Welt anschauten, während sie gleichzeitig darauf warteten, dass er sich auf die Suche nach ihnen begab. Er erinnerte sich an jenen verhängnisvollen letzten Tag, als sie alle drei im Auto saßen und viel zu schnell durch Midtown Manhattan zur
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