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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen
Autoren: Anne Rice
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und feinen Seidenvorhängen verhangen. Ah, solche Reicht ü mer.
    Und hier, wo der Weg um die Ecke bog und sich verbreiterte, hier war Tante Antha zu Tode gestürzt, vor vielen, vielen Jahren, eine dem Unheil geweihte Hexe, wie ihre Tochter Deirdre eine werden sollte; hier hatte sie sich den Schädel eingeschlagen, und das Blut war aus ihrem Kopf und aus ihrem Herzen geströmt.
    Jetzt war niemand hier, der Mona daran gehindert hätte, sich hinzuknien und die Hände auf die Steinplatten zu legen. Einen blitzartigen Augenblick lang glaubte sie Antha zu sehen, ein achtzehnjähriges Mädchen mit großen, toten Augen, und eine Smaragdkette, mit Blut und Haaren verklebt.
    Aber auch das war nichts als Bildermachen. Man konnte nicht sicher sein, daß es mehr als Fantasiebilder waren, zumal wenn man die Geschichten sein Leben lang gehört hatte, wie Mona sie gehört hatte, und wenn man so viele seltsame Träume träumte. Gifford, schluchzend am Küchentisch in der Amelia Street. »Dieses Haus ist böse, böse. Ich sage es dir. Laß Mona nicht hingehen.«
    »Ach, Unfug, Gifford. Sie möchte Brautjungfer bei Rowan Ma y fairs Hochzeit sein. Das ist eine Ehre.«
    Eine Ehre war es auf alle Fälle gewesen. Die größte Familienhochzeit aller Zeiten. Und Mona war hingerissen gewesen. Wenn Tante Gifford sie nicht im Auge behalten hätte, dann hätte Mona noch am selben Nachmittag das ganze Haus in der First Street heimlich durchstöbert.
    Aber Mona wäre überhaupt nicht bei der Hochzeit dabei g e wesen, wenn die uralte Evelyn nicht von ihrem Stuhl aufgestanden wäre und Gifford überstimmt hätte. »Laß das Kind den Gang hinauf zum Altar schreiten«, hatte sie in ihrem tro c kenen Flüsterton gesagt. Sie war jetzt einundneunzig Jahre alt. Und der Umstand, daß sie fast nie sprach, hatte den gr o ßen Vorzug, daß alle verstummten und zuhörten, wenn sie es doch einmal tat.
    Es gab Zeiten, da haßte Mona Tante Gifford wegen ihrer Angst und ihrer Sorgen, wegen des beständigen Ausdrucks von Furcht in ihrem Gesicht. Aber eigentlich konnte man Tante Gifford nicht hassen. Sie war zu gut zu ihrer Umgebung, vor allem zu ihrer Schwester Alicia, Monas Mutter, die alle inzw i schen als hoffnungslosen Fall betrachteten, nachdem sie w e gen ihrer Trinkerei dreimal in der Klinik gewesen, war, ohne daß es etwas genutzt hätte. Und unweigerlich kam Gifford jeden Sonntag in die Amelia Street, um ein bißchen saube r zumachen, den Gehweg zu fegen und bei der alten Evelyn zu sitzen. Und sie kaufte Kleider für Mona, der das Einkaufen ein Greuel war.
    Mona kniete lange auf den Steinplatten, bis ihr die Kälte in den Knien unangenehm wurde.
    »Arme Antha«, flüsterte sie; sie stand auf und strich sich e r neut den rosa Rock glatt. Dann streifte sie sich das Haar über die Schultern zurück und vergewisserte sich, daß die Satinschleife immer noch ordentlich am Hinterkopf befestigt war. Onkel Michael liebte diese Satinschleife; das hatte er ihr g e sagt.
    »Solange Mona ihre Schleife hat«, hatte er heute abend auf dem Weg zur Comus-Parade gesagt, »ist alles in Ordnung.«
    »Ich bin im November dreizehn geworden«, hatte sie ihm fl ü sternd erzählt und sich näher an seine Seite geschoben, um seine Hand zu nehmen. »Sie wollen, daß ich meine Schleife abgebe.«
    »Du? Dreizehn?« Sein Blick war über sie hinweggewandert, hatte einen Sekundenbruchteil auf ihren Brüsten verharrt, und dann war er tatsächlich rot geworden. »Tja, Mona, das war mir nicht klar. Aber nein, wage ja nicht, diese Schleife abzulegen. Ich sehe dieses rote Haar und die Schleife in meinen Trä u men.«
    Natürlich hatte er das alles poetisch und spielerisch gemeint. Er war ein unschuldiger, gesunder Mann, einfach wirklich nett. Das konnte jeder sehen. Aber andererseits, ein bißchen rot war er geworden, nicht wahr?
    Nun, sie würde noch ein bißchen mehr über ihre Strategie nachdenken, wenn sie erst einmal im Haus und in seiner Nähe war. Erst einmal wollte sie um den Swimmingpool herumgehen . Sie schritt die Stufen hinauf auf die breite Steinterrasse. Die Lichter unter dem Wasserspiegel waren eingeschaltet und tauchten das Wasser in ein leuchtendes Blau. Feiner Dampf stieg von der Oberfläche auf; warum der Pool allerdings g e heizt wurde, konnte Mona sich nicht erklären. Michael würde nie wieder darin schwimmen. Das hatte er gesagt.
    Sie folgte der Terrasse bis ans hintere Ende, wo man vor der Cabana das Blut im Schnee gefunden hatte, was bedeutete, daß ein Kampf
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