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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen
Autoren: Anne Rice
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und Chestnut und schaute hinüber zu dem Haus, und sie hatte die ganze sanfte dunkle Nacht vor sich, um zu tun, was ihr gefiel.
    Ihr Vater war inzwischen sicher schon hinüber; ja, wahrscheinlich hatte ihn jemand nach Hause gefahren. Wenn er die dreizehn Häuserblocks zur Amelia Street, Ecke St. Charles, zu Fuß geschafft hätte, wäre das ein Wunder gew e sen. Schon bevor die Comus-Parade vorbei war, war er so betrunken gewesen, daß er sich auf den bloßen Boden der St. Charles Avenue gesetzt hatte, mit angezogenen Knien, die Hände um eine nackte Flasche Southern Comfort gelegt; er hatte getrunken, vor den Augen von Onkel Ryan und Tante Bea, und Mona hatte er in ganz unmißverständlicher Weise aufgefordert, ihn in Ruhe zu lassen.
    Mona war das recht. Michael Curry hatte sie hochgehoben, als wiege sie gar nichts, und hatte sie während der ganzen Par a de auf den Schultern getragen. Wie gut sich das angefühlt hatte, auf diesem starken Mann zu reiten, die eine Hand in seine weichen, schwarzen Locken gegraben. Es war him m lisch gewesen, sein Gesicht an ihren Schenkeln zu fühlen, und sie hatte ihn ein kleines bißchen umschlungen, soweit sie es eben gewagt hatte, und hatte die linke Hand an seiner Wange ruhen lassen.
    Ein toller Mann, dieser Michael Curry. Und ihr Vater viel zu betrunken, um zu merken, was sie tat.
    Was Monas Mutter anging, so war sie schon am Nachmittag des Mardi Gras weggedämmert. Sollte sie noch einmal aufwachen, um den Comus auf St. Charles und Amelia vorüberzi e hen zu sehen, wäre auch das ein Wunder. Die uralte Evelyn war natürlich da, wie immer stumm wie ein Fisch, aber weni g stens wach. Sie wußte, was los war und würde sich im Notfall um ihre Mutter kümmern. Denn eigentlich konnte man Alicia nicht mehr allein lassen.
    Der springende Punkt war: Für alles war gesorgt. Sogar Michaels Tante Vivian war nicht zu Hause in der First Street. Sie war für die Nacht mit Tante Cecilia hinausgefahren. Mona ha t te sie gleich nach der Parade weggehen sehen. Und Aaron Lightner, dieser mysteriöse Gelehrte, war mit Tante Bea ve r schwunden. Mona war glücklich bei dem Gedanken daran, daß Beatrice Mayfair und Aaron Lightner zusammen waren. Aaron Lightner wirkte zehn Jahre jünger, wenn Beatrice in seiner Nähe war, und sie gehörte zu jener Art von grauhaar i gen Frauen, nach der sich die Männer immer und überall u m drehen. Es war beinahe ein Witz, wie Tante Bea die Männer anzog, aber Aaron Lightner war ein Mann, den sie auch wollte, und das war etwas Neues.
    Wenn das alte Hausmädchen da war, Eugenia – das war okay, denn sie war im äußersten hintersten Schlafzimmer u n tergebracht, und es hieß, wenn sie einmal ihr abendliches Glas Portwein getrunken hatte, dann könne sie nichts mehr aufwecken.
    Also niemand da in diesem Haus – praktisch – außer ihrem Mann. Und jetzt, nachdem Mona die Geschichte der Mayfair-Hexen kannte – nachdem sie Aaron Lightners langes Dok u ment endlich in die Hände bekommen hatte -, würde nichts sie noch länger aus dem Haus in der First Street heraushalten können. Natürlich hatte sie Fragen zu dem, was sie da gel e sen hatte. Über die dreizehn Hexen, die aus einem schott i schen Dorf namens Donnelaith stammten, wo die erste, eine arme weise Frau, im Jahr 1659 auf dem Scheiterhaufen ve r brannt war. Das war genau die Sorte saftige Vergangenheit, von der man träumte. Na ja, sie jedenfalls.
    Aber es waren Dinge in dieser langen Familiengeschichte zur Sprache gekommen, die eine besondere Bedeutung für sie hatten, und der ausführliche Bericht über das Leben Onkel Juliens hatte sie von allem am meisten fasziniert.
    Selbst Monas geliebte Tante Gifford war an diesem Abend weit weg von New Orleans, in ihrem Haus in Destin, Florida, wo sie sich vor allem und jedem versteckte und sich Sorgen um den ganzen Clan machte. Gifford hatte die Familie ang e fleht, nicht zu Mardi Gras zum Haus hinaufzufahren. Arme Tante Gifford. Sie hatte die Geschichte der Mayfair-Hexen, die von der Talamasca zusammengestellt worden war, aus ihrem Haus und aus ihrem Bewußtsein verbannt. »Ich glaube an diese Dinge nicht!«
    Manchmal war Mona so tief und hoffnungslos traurig um Tante Gifford, daß sie beinahe in Tränen ausbrach. Es schien, als leide Tante Gifford für die ganze Familie, und niemand war über Rowan Mayfairs Verschwinden betrübter als Gifford. Nicht einmal Ryan. Tante Gifford war im Grunde eine zärtliche und liebevolle Seele, und es gab niemanden, mit dem man
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