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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen
Autoren: Anne Rice
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o mein Baby, meine kleine Emaleth«, schluchzte sie.
    Das Mädchen lag tot am Boden, die Arme ausgestreckt, das Hemd offen, das Gesicht eine weiche, blutige Masse. Und wieder klebte das Haar darin, fein und schön, genau wie bei Lasher, und es war kein Gesicht mehr da. Die langen, schmalen Hände waren offen wie die dünnen, zarten Zweige eines Baumes im Winter, und Blut quoll langsam auf den Boden.
    »O mein Baby, mein armer Liebling«, sagte Rowan.
    Und dann schloß sich ihr Mund wieder um die Brust des Mädchens.
    Im Zimmer war es still. Kein Geräusch außer ihrem Saugen. Rowan trank aus der linken Brust, wechselte dann zur rechten und saugte so gierig wie zuvor.
    Michael starrte sie sprachlos an.
    Endlich sank sie zurück und wischte sich den Mund ab. Ein leises, trauriges Stöhnen drang aus ihrer Brust, und sie schluchzte noch einmal tief auf.
    Michael kniete neben ihr nieder. Rowan starrte das tote Mädchen an. Dann klappte sie ein paarmal heftig die Augen auf und zu, als wolle sie ihren Blick klären. Ein winziger Rest Milch glänzte auf der rechten Brustwarze des Mädchens. Rowan streckte die Hand aus, tupfte ihn mit der Fingerspitze auf und strich ihn auf ihre Lippen.
    Die Tränen rollten ihr aus den Augen, aber sie schaute Michael entschlossen an, schaute ihn absichtsvoll an, als wolle sie, daß er wußte, daß sie es wußte. Daß sie wußte, was passiert war, und daß sie jetzt hier war. Sie war Rowan. Sie war geheilt.
    Und plötzlich, mit tränenüberströmtem Gesicht, nahm sie seine Hände, um ihn zu trösten, obgleich ihre eigenen Hände kalt waren und zitterten.
    »Mach dir keine Sorgen mehr, Michael«, sagte sie. »Mach dir keine Sorgen. Ich bringe sie hinaus, unter den Baum. Niemand wird je etwas merken. Ich werde es tun. Ich werde sie zu ihm legen. Du hast genug getan. Meine Tochter überlaß mir.«
    Sie lehnte sich zurück und weinte, leise, rauh, gedämpft. Ihre Augen schlössen sich, und ihr Kopf kippte zur Seite. Heftig tätschelte sie Michaels Hände. »Keine Sorge«, sagte sie. »Mein Liebling, mein Baby, meine Emaleth. Ich bringe sie hinunter. Ich lege sie selbst in die Erde.«
    22 Uhr
    5. August 1992
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