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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen
Autoren: Anne Rice
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Lösung entschieden. Das ist eine Faustregel: Immer die einfachere Lösung nehmen.«
    »Die einfachere Lösung.«
    »Ja. Was Sie mit Lasher gemacht haben. Die einfachere Lösung.«
    Michael antwortete nicht.
    »Glauben Sie alles, was er gesagt hat – über die Taltos, über die Legenden und das kleine Volk?«
    »Ja. Und nein.« Aaron dachte eine ganze Weile nach, bevor er hinzufügte: »Ich will keine Geheimnisse oder Rätsel mehr.« Er schien über seine eigene Ruhe erstaunt zu sein. »Ich will nur noch bei meiner Familie sein. Deirdre Mayfair soll mir verzeihen, daß ich ihr nicht geholfen habe. Rowan Mayfair soll mir verzeihen, daß ich ihr dies habe zustoßen lassen. Und Sie sollen mir verzeihen, daß ich es habe geschehen lassen, daß Sie verletzt wurden und daß ich Ihnen die Bürde des Tötens überlassen habe. Doch dann will ich, wie man so sagt, vergessen.«
    »Die Familie hat gesiegt«, sagte Michael. »Julien hat gesiegt.«
    »Sie haben gesiegt«, sagte Aaron. »Und Monas Siege haben gerade erst begonnen«, ergänzte er mit leisem Lächeln. »Eine beachtliche Tochter haben Sie in Mona. Ich denke, ich werde jetzt einen Spaziergang machen und Mona besuchen. Sie sagt, sie ist so verliebt in Yuri, daß sie verrückt wird, wenn er bis Mitternacht nicht anruft. Ich muß Vivian sehen und die uralte Evelyn. Wollen Sie nicht mitkommen? Es ist ein schöner Weg, die Avenue hinauf, gerade weit genug, ungefähr zehn Straßen weit.«
    »Jetzt nicht. Ein bißchen später vielleicht. Gehen Sie nur.«
    Eine kleine Pause trat ein.
    »Sie wollen, daß Sie in die Amelia Street kommen«, sagte Aaron dann. »Mona hofft, daß Sie die Renovierung leiten. Seit vielen Jahren ist an dem Haus nichts mehr gemacht worden.«
    »Es ist ein schönes Haus. Ich habe es gesehen.«
    »Es braucht Sie.«
    »Hört sich an, als ob ich damit fertig werden könnte. Aber gehen Sie nur.«
     
    Am nächsten Morgen regnete es wieder. Michael saß draußen unter der Eiche bei dem frisch aufgegrabenen Stück Erde und schaute es nur an, betrachtete das aufgebrochene Gras.
    Ryan kam heraus, um mit ihm zu reden; er blieb vorsichtig auf dem Plattenweg, um sich die Schuhe nicht mit Lehm zu beschmutzen. Michael sah, daß es nichts Dringendes war. Ryan wirkte ausgeruht; es war, als spüre er, daß alles vorüber war. Ryan sollte es wissen.
    Den großen Fleck Erde mit dem Grab würdigte er keines Blickes. Die ganze Stelle sah aus wie die feuchte, kahle Erde an den Wurzeln eines Baumes, wo nie Gras wächst.
    »Ich muß dir etwas sagen«, begann Michael.
    Er sah, wie Ryan innehielt und plötzlich Müdigkeit und Angst erkennen ließ – aber gleich fing er sich wieder und nickte sehr langsam.
    »Es droht keine Gefahr mehr«, sagte Michael. »Von niemandem. Ihr könnt das Sicherheitspersonal abziehen. Eine Krankenschwester für die Nacht. Mehr brauchen wir nicht. Und Henri schaff mir auch aus dem Haus, wenn du so gut sein willst. Pensioniere ihn, oder was weiß ich. Oder schick ihn hinüber zu Mona.«
    Ryan schwieg. Er nickte wieder.
    »Ich überlasse es dir, wie du es den ändern sagst«, fuhr Michael fort. »Aber sie sollten es wissen. Die Gefahr ist vorbei. Keine Frau wird mehr leiden, kein Arzt wird mehr sterben. Nicht im Zusammenhang mit dieser Geschichte. Kann sein, daß ihr noch einmal von der Talamasca hört. Wenn ja, könnt ihr sie zu mir schicken.«
    Ryan schien eine Frage stellen zu wollen, aber dann besann er sich offenbar anders und nickte wieder.
    »Ich werde mich um alles kümmern«, sagte er. »Mach dir keine Sorgen deshalb. Und was Henri angeht, so ist das ein sehr guter Vorschlag. Ich schicke ihn in die Amelia Street. Patrick wird sich damit abfinden müssen. Ich nehme nicht an, daß er im Moment zu großen Diskussionen fähig ist. Ich bin herausgekommen, um zu sehen, wie es dir geht. Jetzt weiß ich, daß alles okay ist.« Jetzt war es an Michael, zu nicken. Er lächelte leise.
     
    Nach dem Mittagessen setzte er sich wieder an Rowans Bett. Er hatte die Krankenschwester weggeschickt; er konnte ihre Anwesenheit nicht mehr ertragen. Er wollte hier allein sein.
    Sie war so dankbar gewesen, wollte ihre Mutter im Krankenhaus besuchen. Er stand am Fenster und schaute ihr nach. Sie zündete sich eine Zigarette an, bevor sie an der Ecke war, und dann eilte sie davon, um die Straßenbahn zu erwischen.
    Eine junge Frau stand draußen und starrte das Haus an. Sie hatte die Hände auf den Zaun gelegt. Rötlich-goldenes Haar, sehr lang, irgendwie hübsch.
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