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Tante Inge haut ab

Tante Inge haut ab

Titel: Tante Inge haut ab
Autoren: Dora Heldt
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...«
    »Blödsinn! Dann würde sie sich nicht in andere Ehen einmischen. Und im Übrigen bin ich davon überzeugt, dass man in Inges Alter niemals ohne triftigen Grund sein gewohntes Leben aufgibt. Und Onkel Walters eingebildete Krankheiten, die Bundesliga und irgendwelche Schnittchen sind nun mal kein Grund. Außerdem ist mein Onkel auch noch sehr nett.«
    Johann grinste. »Reg dich doch nicht auf. Vielleicht hat sie ja einen Grund. Hast du schon mal was von Kurschatten gehört? Die große Liebe, die einen ereilt, wenn man gar nicht mehr damit rechnet? Die einem den Boden unter den Füßen wegzieht, auch wenn man nicht mehr jung ist? Die letzte große Chance, um wirklich glücklich zu werden?«
    Beunruhigt blieb Christine stehen. »Sag mal, du Romantiker, liest du >Brigitte woman<, oder woher hast du solche Weisheiten? Das sind doch alles Klischees. Tante Inge und ein Kurschatten! Dass ich nicht lache!«
    Der Romantiker zog sie weiter, kopfschüttelnd folgte sie ihm. Ein Kurschatten: So etwas kam nur in schlechten Romanen oder Fernsehfilmen vor. Nicht in ihrer reizenden und völlig normalen Familie. Der Parkplatz in der Kapitän-Christiansen-Straße war voll, Christine musste gefühlte fünf Stunden die Runde fahren, bevor sie eine Frau entdeckte, die sich in einem Cayenne zentimeterweise aus ihrer Parklücke zitterte.
    »Kauf dir ein Fahrrad, wenn du mit so einer Karre nicht fahren kannst.«
    Als hätte sie sie gehört, sah die Fahrerin Christine plötzlich über ihre Schulter forschend an. Dann fuhr sie langsam wieder vor, riss das Lenkrad herum und setzte danach noch langsamer zurück. Bremste.
    »Herrgott, soll ich ausparken? Da komm ich ja mit einem Bus rein.«
    Die Autotür öffnete sich, die Cayenne-Besitzerin stieg aus. Sie war ungefähr sechzig, sehr schlank, trug viel Gold, weiße enge Klamotten, roten Lippenstift und hatte getöntes Haar und einen faltigen Hals. So musste Renate aussehen. Mit schnellen Schritten kam sie auf Christine zu.
    »Entschuldigung«, sie beugte sich zu dem geöffneten Fenster, »es ist wahrscheinlich doch was dran, dass Frauen nicht einparken können. Würden Sie mich rauswinken? Ich sehe nicht genug. Nicht, dass ich noch eine Beule in den Wagen fahre.«
    »Ich kann einparken.« Christine hatte leise gesprochen.
    »Bitte?«
    »Natürlich winke ich Sie raus. Gerne.«
    Und kauf dir ein kleineres Auto, fügte Christine im Stillen hinzu. Sie fuhr ihr Auto ein Stück zurück und stellte sich  hinter den Cayenne. Der Renate-Typ legte den Rückwärtsgang ein, Christine winkte, sie bremste. Christine winkte übertriebener, sie fuhr zwei Zentimeter und bremste wieder. Das Spielchen wiederholten sie ein paar Minuten, der Cayenne harte unverändert über einen Meter Platz nach hinten.
    Da riss Christine der Geduldsfaden. Mit zuckersüßem Gesichtsausdruck ging sie zur Autotür. »Entweder Sie gucken mich an, wenn ich winke, und fahren. Oder Sie lassen mich Ihr Auto rausfahren, damit ich endlich Ihren Parkplatz bekomme. Oder Sie versuchen es alleine noch für den Rest Ihres Urlaubs. Sie müssen sich nur entscheiden. Ich bin seit zehn Minuten verabredet und habe leider keine Zeit mehr.«
    Augenbrauen schössen in die Höhe, Mundwinkel gingen nach unten.
    »Was soll das denn? Ich habe Sie nur um einen kleinen Gefallen gebeten, meine Güte! Wenn es zu viel verlangt ist, dass Frauen sich untereinander helfen ... Suchen Sie sich doch einen anderen Parkplatz, na los, worauf warten Sie noch?«
    Jetzt wurde ihre Stimme auch noch schrill. Christines Halsschlagader fing an zu pochen, sie war drauf und dran, gegen das Auto zu treten. Blöde Nuss. Aber sie riss sich zusammen. Als ob sie Lust hätte, sich auf einem öffentlichen Parkplatz mit so einem Huhn zu prügeln. Im Leben nicht!
    »Dann weiterhin viel Spaß und einen schönen Tag noch.«
    Hoch erhobenen Kopfes ging Christine zu ihrem Auto. Der liebe Gott belohnte sie für ihre Selbstbeherrschung, denn in dem Moment wurden zwei Parklücken frei. Sie parkte komplikationslos ein.
    Renate zwei saß immer noch bei laufendem Motor in ihrem Schlachtschiff. Fast bekam Christine ein schlechtes Gewissen, aber dann sah sie, dass die Dame sich in aller Ruhe die Lippen nachzog. Was war sie froh, dass sie mit solchen Weibern nichts zu tun harte. Mit fünfzehn Minuten Verspätung hetzte Christine über die Treppen zum Strandaufgang, zeigte kurz ihre Kurkarte und lief der »Badezeit« entgegen, einem Lokal, das an der Westerländer Promenade lag.
    Sie hatte sich
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