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Tante Inge haut ab

Tante Inge haut ab

Titel: Tante Inge haut ab
Autoren: Dora Heldt
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lange Frauen wohl mit Hormonschwankungen zu tun hatten? Es konnte ja gut sein, dass sich bei ihrer Tante noch wilde biochemische Prozesse abspielten, ausgelöst von ihrer Fastenkur und den Saunagängen.
    Renate war wahrscheinlich eine dieser beleidigten Exfrauen, die von ihren reichen Gatten wegen einer jungen blonden Sekretärin verlassen worden waren und deshalb einen Kreuzzug gegen Ehemänner führten. Nur weil sie frustriert waren. Christine konnte sich so richtig vorstellen, wie Inge nach diversen Massagen und Fangopackungen dieser Furie in die Hände gefallen war. Als oh Inge ihr Leben tatsächlich verändern wollte. So ein Unsinn! Sie hatte doch alles und wirkte immer sehr zufrieden. Christine war sich sicher, dass Onkel Walter spätestens in drei Tagen auf der Matte stehen würde. Wenn er klug war, mit Blumen und irgendwelchen Konzertkarten.
    Christine blieb stehen, als sie den Sommerdeich erreichten und Johann sie fragend ansah.
    »Nach links, Richtung Ellenbogen.« Sie schob ihre Hand in seine und lächelte ihn an. »Schön hier, nicht?«
    Der Liebste lächelte nicht. Stattdessen ließ er seine Augen über den Deich wandern und atmete tief durch. Christine wurde unruhig. Wenn das so weiterging, würde er ihr die reizende, völlig normale Familie nie abnehmen.
    »Was denkst du gerade?«, fragte sie betont harmlos.
    Eine der schlimmsten Fragen, die Frauen Männern stellen können.
    »Nichts Besonderes.«
    Und eine der typischen Antworten auf diese dämliche Frage. Selbst schuld.
    Sie liefen schweigend weiter, und Christine versank wieder in Gedanken. Sie wunderte sich über die Reaktion ihrer Mutter. Sie trank nie Bier aus der Flasche. Eigentlich mochte sie ihre Schwägerin. Anstrengend wurde es für sie nur, wenn sich Heinz daran erinnerte, dass er Inges großer Bruder war. Inge war fast zehn Jahre jünger. Sie war ein niedliches kleines Mädchen gewesen und von ihrem Bruder vergöttert worden. Sie war schon als Kind mutig, laut, verrückt und albern, Heinz hingegen war ernst, ängstlich und schüchtern und hatte über dieses Wesen gestaunt, das so gar nichts mit ihm zu tun zu haben schien. Also hatte er beschlossen, sie zu beschützen. Und das versuchte er bis heute. Soweit Christine sich erinnern konnte, hatte Charlotte es immer schon nervig gefunden, wenn ihr Mann sich Inges Probleme zu eigen machte und dann noch versuchte, sie zu lösen. Zum Glück mochte er Onkel Walter und der ihn, sonst hätten die gut gemeinten Ratschläge für den Umgang mit seiner Schwester schon lange zu einem Familienzerwürfnis geführt. Vermutlich rief Heinz seinen Schwager heute noch an, um ihm selbst den Tipp mit den Blumen und den Konzertkarten zu geben. Ganz sicher würde sich alles wieder ordnen.
    Johann fasste sie am  Arm und deutete auf eine Schafherde, in der es vor Lämmern nur so wimmelte. Christine blieb stehen.
    »Süß, nicht wahr? Tante Inge hat als Zehnjährige mal eines geklaut und im Garten versteckt. Sie wollte nicht, dass es gegessen wird. Es flog natürlich auf, und sie musste zur Strafe sämtliche Unterstände der Schafe streichen. Hat sie auch gemacht, aber alle knallbunt. Das gab dann erneut Ärger. Seit ich die Geschichte kenne, esse ich kein Lamm mehr.«
    »Deine Tante ist schon erstaunlich. Davon abgesehen, dass sie noch toll aussieht.«
    »Findest du?« Überrascht sah Christine ihn an. »Ja, sie sieht gut aus. Und was ist erstaunlich?«
    »Erstaunlich ist, dass sie sich in ihrem Alter vorgenommen hat, einen Neuanfang zu wagen. Das traut sich nicht jeder.«
    Etwas zu schnell winkte Christine ab. »Da warten wir mal ab. Ich glaube nicht, dass das wirklich passiert. Diese komische Renate hat sie nur kirre gemacht. Meine Tante war schon immer schnell zu begeistern. Das heißt noch nichts.«
    Johann legte seinen Arm um ihre Schulter und setzte sich langsam wieder in Bewegung. »Ich glaube, sie meint es ernst. Sie sah sehr entschlossen aus. Und sie wirkte auch nicht kirre. Außerdem kennst du Renate doch gar nicht, wieso sagst du, sie wäre komisch?«
    »Ach, man kennt doch diesen frustrierten, missmutigen Frauentyp, der keiner anderen ein intaktes Liebesleben gönnt. Ich kann sie mir richtig gut vorstellen. Gibt das Geld ihres Exmannes in irgendwelchen Schönheitstempeln aus und ...«
    »Meine Güte, Christine, du hast ja genauso viele Vorurteile wie Heinz. Vielleicht ist Renate ja auch charmant, gebildet, liest Bücher, hört gute Musik, kümmert sich mit Hingabe um ihre Patenkinder und
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