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Tannöd

Tannöd

Titel: Tannöd
Autoren: Andrea Schenkel
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Fenster und schaut hinaus ins Dunkel. Im Sommer sitzt er
gerne auf der Bank hinter seinem Haus und trinkt dort seine Tasse
Malzkaffee. Er lauscht dem ersten Morgengesang
der Vögel, die Luft ist noch kühl und rein. Ein Vogel
nach dem anderen stimmt sein Lied an. Immer in der gleichen sich
nie ändernden Reihenfolge. Von seinem Platz aus kann er ihrem
Gesang lauschen, während die Sonne am Horizont
aufgeht.
    Er leert seine Tasse und stellt
sie in die Küche. Der Hof ist mittlerweile erwacht und er geht
seinem Tagwerk nach. Zu dieser frühen Stunde meist stumm.
Allein mit sich und seinen Gedanken. Wenn der Tag sich bereits
deutlich von der Nacht unterscheidet, sind die kostbaren
Augenblicke des Müßigganges für ihn schon lange zu
Ende. So war es im Sommer.  

 
    Hermann
Müllner Lehrer, 35 Jahre
    Ich werde Ihnen nicht viel
weiterhelfen können, da ich erst zu Beginn dieses Schuljahres,
Anfang September, an diese Schule versetzt worden bin. Bisher war
immer so viel zu tun, ich hatte noch nicht die Zeit, die Leute hier
auf dem Land besser kennenzulernen.
    Die Kinder der zweiten Klasse
unterrichte ich in allen Fächern, außer in Religion.
Dieses Fach wird durch unseren Herrn Pfarrer Meißner
unterrichtet. Die kleine Maria-Anna, wie sie eigentlich hieß,
war in meiner Klasse.
    Sie war eine ruhige
Schülerin, sehr ruhig. Beteiligte sich nur zögerlich am
Unterricht. Wirkte etwas verträumt. Nicht besonders gut in
Rechtschreibung. Lesen etwas holprig. Rechnen, ja Rechnen lag ihr
etwas mehr. Ansonsten ist mir nichts aufgefallen. Ihre Freundin
war, so weit ich weiß, die Betty. Die saß auch neben
ihr. Ab und zu haben die Mädchen im Unterricht getuschelt. Wie
das Freundinnen eben gern machen. Mädchen haben sich immer
viel zu erzählen und manchmal leidet dann die
Aufmerksamkeit.
    Bei meiner Ermahnung waren sie
aber sofort still. 

 
    Ludwig Eibl Postschaffner, 32 Jahre
    Der Hof der Familie Danner liegt
fast am Ende meiner Runde. Seit einem halben Jahr habe ich diese
Tour. Ich komm fast täglich hier vorbei. Dreimal die Woche
aber bestimmt. Der Danner hat nämlich die Heimauer Nachrichten
bestellt und die erscheinen dreimal in der Woche. Am Montag, am
Mittwoch und am Freitag. Ist keiner da, soll ich die Post einfach
neben der Haustüre am Fenster ablegen, so hat es der Danner
mit mir ausgemacht.
    Am Montag war ich draußen
und als keiner aufgemacht hat, hab ich die Post wie vereinbart
hinterlegt. Durch das Fenster konnte ich bei der Gelegenheit auch
schauen. War aber niemand zu sehen. So was kommt ab und zu vor.
Dass keiner zu Hause ist, meine ich. Nein, ungewöhnlich ist
das nicht. In dieser Jahreszeit sind die Leute oft im Wald beim
Holz machen. Da wird jeder gebraucht, da bleibt keiner auf dem
Hof.
    Der Hund, ja es könnte sein,
dass der gebellt hat. Bestimmt hat der gebellt. Ich kann mich aber
nicht mehr erinnern. Die Hunde bellen immer, wenn ich komme. Ich
hör schon nicht mehr hin. Bei meinem Beruf ist das eben
so.
    Wie ich wieder aufs Radi gestiegen
bin hab ich mich noch mal umgedreht, hab kontrolliert, ob die
Tasche richtig auf dem Gepäckträger sitzt. Wenn die leer
wird, verrutscht die leicht. Dabei hab ich auch noch mal zum Haus
geschaut.   
    Ob Rauch aus dem Kamin gekommen
ist? Sie stellen vielleicht Fragen. Ich habe keine Ahnung, ob Rauch
aus dem Kamin gekommen ist. Aufgefallen ist mir nichts. Hab aber
auch gar nicht darauf geachtet. Wenn ich ehrlich bin, leiden
können hab ich die Leute vom Hof nicht so besonders. Der alte
Danner war ein misstrauischer Mensch. Ein Eigenbrötler. Seine
Frau, die Dannerin, war auch nicht anders. Die sind beide zum
Lachen in den Keller. Na, was soll's. Die Dannerin hatte bei ihrem
Mann bestimmt kein leichtes Leben.
    Seine Tochter, die Barbara
Spangler, ist schon eine fesche Person, aber auch aus dem gleichen
Holz wie ihre Eltern.
    Die Gerüchte, dass bei denen
alles immer in der Familie bleibt, sogar die Kinder, kenn ich
schon. Wer kennt die nicht, und als Postbote erfährt man ja so
einiges, aber wenn einer immer alles glauben müsst. Wissen
Sie, mir ist egal, wer der Vater von der Barbara ihren zwei Kindern
war.
    Hätt ja viel zu tun,
müsst ich mich um fremder Leut Angelegenheiten kümmern.
Da müssen Sie schon andere fragen. Ich bring die Post und halt
mich raus.
    Das Wetter ist heute den ganzen
Tag über etwas besser gewesen als in den letzten Wochen. Kein
Schnee mehr, auch der Wind hat sich gelegt. Ab und zu fallen ein
paar Tropfen Regen vom Himmel. Die Landschaft
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