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Tannöd

Tannöd

Titel: Tannöd
Autoren: Andrea Schenkel
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machte immer alles, was man ihr sagte,
sie stellte nie Fragen.
    Unsere Mutter hat immer gesagt,
»Gutheit ist ein Stück von der
Liederlichkeit«.
    Liederlich war sie nicht, die
Marie, aber viel zu gut. Die hätt auch ohne Lohn gearbeitet,
einfach nur gegen Kost und Logis. So war sie eben. Ein armes Luder
wars. Bis Silvester hatte die Marie noch eine Stelle bei der Frau
Kirchmeier, Babette Kirchmeier. Die Kirchmeierin war verwitwet und
die Marie machte ihr den Haushalt, so gut sie konnte. Mit der
Kirchmeierin ging es aber in der letzten Zeit immer mehr bergab.
Die konnte am Schluss fast nicht mehr laufen und etwas wirr im Kopf
war sie auch. Da ist sie dann halt ins Altenheim, Kinder sind bei
der keine da, die sie hätten aufnehmen können, die
Kirchmeierin. Und so hat die Marie ihre Stelle halt
verloren.     
    Wie ich schon gesagt habe, hatte
ich der Marie versprochen, sie zu dem Danner zu begleiten. Für
den Weg hätten wir nach der Beschreibung der Kramerin
eineinhalb Stunden gebraucht, aber das Wetter wurde immer
schlechter.
    Richtig finster ist es geworden
und ein böiger Wind zog auf. Es war eine Stimmung, so richtig
wie ich milden Weltuntergang vorstelle, düster und trübe.
Immer denk ich, wir hätten bei diesem Wetter nicht gehen
sollen. Alles wäre jetzt anders, alles. Gegen zwei Uhr sind
wir von der Wohnung los, so gegen halb vier hatten wir uns
vollkommen verlaufen. Eine Zeit lang sind wir noch umhergeirrt.
Dann sind wir wieder ein Stück zurück, auf den letzten
Hof zu, an dem wir vorbeigekommen waren. Dort haben wir nach dem
Weg gefragt. Am letzten Feld nach links, immer den Weg entlang
durch den Wald, es sei nicht zu verfehlen, war die
Antwort.
    Im Wald hat es auch noch zu regnen
angefangen. 
    Durchnässt sind wir
schließlich zu dem Einödhof gekommen. Ich hätte nie
gedacht, dass der so weit draußen liegt. Ich hätt die
Marie sonst nicht da raus gelassen. Nie hätte ich sie da raus
gelassen. Nie. Bei denen in Tannöd war nur die Alte da, die
hat uns die Tür aufgemacht. Sonst hab ich keinen gesehen. Nur
die Alte und das kleine Kind. Ein hübscher kleiner Bub, zwei
Jahre alt, schätz ich, mit schönen goldblonden Locken.
Der Marie hat das Kind gleich gefallen, das habe ich gesehen, die
Marie mag Kinder. Nur die Alte war recht seltsam, misstrauisch hat
sie uns angeschaut. Kaum, dass sie uns gegrüßt hat. Die
nassen Jacken haben wir über den Stuhl gehängt. In der
Nähe des Ofens zum Trocknen. Die alte Dannerin hat die ganze
Zeit über kein Wort gesagt. Ich hab noch versucht, mit der in
ein Gespräch zu kommen. Man fragt doch, wenn ein Fremder auf
den Hof kommt. Aber nichts, mit der war nichts zu machen, nur der
Kleine, der hing bereits nach fünf Minuten an der Marie ihrem
Rockzipfel und hat gelacht.
    Und die Marie mit ihm.
    Die Küche war genauso wie der
Hof, düster und alt, ein bisschen schlampig war es auch. Die
Alte hatte eine Schürze angehabt, die hätt auch wieder
einmal gewaschen werden müssen. Und der Kleine, ein
schmutziges Gesicht hat der gehabt.
    In der ganzen Stunde, in der ich
mit meiner Schwester Marie auf der Bank beim Kachelofen
gesessen bin, hat die Dannerin vielleicht fünf Sätze
gesagt. Mürrische, seltsame Leute, hab ich mir noch gedacht.
Nach der Stunde hab ich meine Jacke genommen, ich wollte nicht im
Dunklen nach Hause. Die Jacke war jetzt fast trocken und ich wollte
gerade aufbrechen. »Ich muss jetzt heim, es wird schon dunkel.
Damit ich mich nicht wieder verlaufe«, habe ich noch zur Marie
gesagt.
    Direkt auf der Türschwelle
bin ich dann der Tochter von der alten Dannerin
begegnet.
    Richtig zwischen Tür und
Angel.
    Wir haben noch ein paar Worte
gewechselt, die war ein bisschen freundlicher als die Alte
und ich bin gleich zur Tür raus.
    Die Marie hat mich begleitet. Ich
hab das Fahrrad durch das Gartentor geschoben und mich am Zaun von
ihr verabschiedet.
    Sie sah nicht besonders froh aus,
ich glaube, am liebsten wäre sie mit mir nach Hause
zurückgefahren. Ich habe sie verstehen können, aber was
hätt ich machen können, es ging doch nicht anders. Das
Herz hat es mir fast zerrissen. Nur schnell weg wollte ich, zur
Marie hab ich noch gesagt: »Hoffentlich gefällt es dir.
Wenn nicht, wir finden schon noch was anderes.«
    Die Marie meinte nur: »Es
wird schon gehen.« Einfach wieder mitnehmen hätt ich sie
müssen. Es hätt sich schon noch was anderes
gefunden. Da bin ich mir ganz gewiss.
    Aber ich habe mich umgedreht und
bin mit dem Rad losgefahren. Wie die
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