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Tannöd

Tannöd

Titel: Tannöd
Autoren: Andrea Schenkel
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für sie!
    Heilige Katharina,
bitte für sie!
    Heilige Barbara,
bitte für sie!
    Alle heiligen Jungfrauen und
Witwen,
bittet für sie!
    Alle Heiligen Gottes,
bittet für sie!
    Sei ihnen gnädig! -
Verschone sie, o Herr!
Sei ihnen gnädig! - Erlöse sie, o Herr!
     

 
    Babette
Kirchmeier
Beamtenwitwe, 86 Jahre
    Die Marie, die Marie.
    Die war bei mir als
Haushaltshilfe. Na, bis ich ins Altenheim bin.
    Ja, ja, als Haushaltshilfe, die
Marie. War eine ganz brave. Ganz brav. Hat immer alles schön
erledigt. Nicht so wie die jungen Dinger, immer nur fortgehen und
mit den Burschen poussieren. Nein, die Marie war nicht so. Ein
braves Mädel war sie. Nicht besonders hübsch, aber brav
und arbeitsam. Die hat mir den ganzen Haushalt in Schuss gehalten.
Wissen Sie, ich bin nicht mehr so gut auf den Beinen, darum bin ich
auch ins Heim.
    Kinder hab ich keine und mein Mann
ist auch schon fast fünfzehn Jahre tot. Im Juni am 24. werden
es fünfzehn Jahre.
    Der Ottmar war ein guter Mann. Ein
guter Mann. Die Marie ist zu mir ins Haus, weil die Beine nicht
mehr so wollten. Die Beine, die wollen schon lange nicht mehr. Wenn
man alt wird, will vieles nicht mehr, nicht nur die Beine. Alt
werden ist nicht schön, das hat schon meine Mutter immer
gesagt, glauben Sie mir. Nicht schön ist das.
    Früher bin ich gelaufen wie
ein Wiesel. Mit meinem Ottmar, Gott hab ihn selig, bin
ich immer zum Tanzen. Am Sonntagnachmittag zum Tanztee ins Odeon.
Noch vor dem Krieg war das. Der Ottmar war ein guter Tänzer.
Beim Tanzen haben wir uns auch kennengelernt, damals noch unterm
Kaiser. Ein schneidiger Bursch war er, mein Ottmar mit seiner
Uniform. Der Ottmar war beim Militär damals, jetzt ist er auch
schon wieder fast fünfzehn Jahre tot. Die Zeit vergeht, die
Zeit vergeht. Ich hab die Schwierigkeiten mit der Hüfte
gekriegt. Man wird ja nicht jünger.
    Da ist die Marie zu mir ins Haus.
Geschlafen hats in der Kammer. Anspruchsvoll war sie ja nicht, die
Marie. Ein Bett, ein Stuhl, ein Tisch und ein Kleiderschrank. Mehr
hats nicht braucht. Wie ich im Januar, lassen Sie mich nachdenken,
ja im Januar war's, ins Altenheim bin, denn mit dem Laufen ist es
jetzt ganz schlecht. Ganz schlecht. Na, da ist die Marie zu ihrer
Schwester.
    Ich hab gar nicht gewusst, dass
sie jetzt eine Stelle als Magd hat. Aber gepasst hat das schon zu
der Marie. Die hat hinlangen können. Geredet hat sie nicht
viel. War mir recht, denn die geschwätzigen Dinger mag ich
nicht. Die tratschen und tratschen den ganzen Tag und daheim
verlottert Haus und Hof. Ja, ja, die Marie war bei mir als
Haushaltshilfe. Na, bis ich ins Altenheim bin. Im Januar bin ich
ins Altenheim. Eine gute brave Haushaltshilfe, die Marie.
War eine ganz
brave. Ganz brav. Hat immer alles schön erledigt.
    Ich merk, ich werde jetzt
müde. Ich möchte jetzt schlafen. Wissen S', im Alter
braucht man viel Schlaf. Viele können ja nicht schlafen, aber
ich brauch viel Schlaf. Hab schon immer gerne und viel geschlafen.
Äh, was haben Sie mich gefragt, jetzt hab ich es ganz
vergessen, ja mit dem Alter, Sie wissen ja. Nach der Marie haben
Sie mich gefragt. Tja, die Marie. Die war eine ganz brave und
arbeitsam und fleißig. Was macht die jetzt eigentlich? Ist
die nicht bei ihrer Schwester? Ach, bin ich müde, ich
möchte jetzt schlafen. Wissen S', wenn man alt ist, braucht
man seinen Schlaf.
    Der Winter will und will dieses
Jahr dem Frühling nicht Platz machen. Es ist viel kälter
als es normalerweise in dieser Zeit des Jahres ist. Seit Anfang
März hat es abwechselnd geregnet oder geschneit. Das Grau der
Morgennebel will auch im Laufe des Tages nicht weichen.
    Am Freitagmorgen nun klart es
endlich ein bisschen auf. Die dunkel-grauschwarzen Wolken verziehen
sich ein wenig. Ab und an bricht sogar die Wolkendecke ganz auf.
Die ersten Strahlen der Frühlingssonne bahnen sich zaghaft
ihren Weg. Am Mittag verfinstert sich der Himmel jedoch erneut und
am Nachmittag fängt es wieder an zu regnen.
    Es wird so dämmrig, dass man
den Eindruck hat, der Tag geht bereits zu Ende und die Nacht zieht
herauf. Zwei Gestalten, ganz in Schwarz gekleidet, bahnen sich in
diesem trüben Licht ihren Weg. Sie gehen geradewegs auf den
einen Hof zu. Eine von beiden schiebt ein Rad, die andere
trägt einen Rucksack auf dem Rücken. Der Bauer, der
gerade sein Haus verlassen hat, um in den Stall
hinüberzugehen, lässt vorsichtshalber den Hofhund von der
Leine. Erst als sie den Hof fast erreicht haben, erkennt er in den
Gestalten zwei Frauen.
    Er
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