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Tangenten

Tangenten

Titel: Tangenten
Autoren: Greg Bear
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einschalten. Nur wenige Künstler oder Schriftsteller haben je etwas Nennenswertes geschaffen, indem sie sich nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner richteten und dies ist der gegenwärtige Stand der meisten Fernsehnetzwerke.
    Das gedruckte Wort läßt mehr Freiheit. Ein Bleistift und ein Stück Papier ist alles, was für eine Schöpfung in den Druckmedien benötigt wird. Die Produktion eines Buches mit einer durchschnittlichen Auflage wird in Zehntausenden von Dollar gemessen, nicht Millionen. Das Publizieren erlaubt – im Moment – immer noch einer großen Anzahl von Schriftsteller, persönliche Werke zu schaffen. Ein Schriftsteller kann sich mit lediglich Hunderten oder Tausenden von beständigen Lesern einen Ruf aufbauen.
    Zur Zeit lesen nur zwischen zehn und zwanzig Prozent der Amerikaner regelmäßig Bücher. Zeitungen und Magazinen geht es besser – aber weniger als die Hälfte der Amerikaner beziehen ihre Informationen vom gedruckten Wort. Was wir haben, ist ein kolossales Versagen eines Kommunikationsmediums – Presse – darin, die Massen zu erreichen.
    Vielen Menschen fällt es schwer, Gedrucktes aufzunehmen. Die Presse hat viele Zwecke und Vorteile, aber oft kann sie Informationen nicht so schnell und effizient übermitteln wie andere Medien.
    Das Dilemma ist klar. Die Presse bietet Diversität und individuellen Ausdruck – genauso wie die aktive Anteilnahme des Lesers, indem er denkt und sich vorstellt, was die Worte übermitteln – kann aber nicht so viele Menschen erreichen wie Film oder Fernsehen.
    Film und Fernsehen gefällt den Massen, füttert einen kaum bewußten Zuschauer allerdings eher mehr als weniger mit Belanglosigkeiten.
    Durch die Kombination von Gedrucktem und bewegtem Bild werden Computer das Geldmonopol brechen und bei weitem mehr Menschen erlauben, mit ›Bilderzählungen‹ (›pictorial narratives‹) zu arbeiten, ein allumfassender Begriff für die Vielzahl von Kunstformen, die sich unweigerlich entwickeln werden.
    Robert Abel sieht eine Zukunftsgesellschaft mit mehr und mehr körperlich voneinander isolierten Individuen, da die elektronische Revolution ihnen erlaubt, zu Hause zu arbeiten, voraus. Mit immer höher entwickelten Unterhaltungsformen wird der Bedarf, das Zuhause für die Entspannung zu verlassen, abnehmen. Mit mehr Freizeit verlangt die Öffentlichkeit mehr Unterhaltung. Und mit mehr Künstlern, die in der Lage sind komplizierte ›Bildererzählungen‹ zu produzieren, könnte das Verlangen mit einer Explosion der Kreativität einhergehen – wenn das Publikum nicht bereits von substanzlosem Blödsinn konditioniert worden ist. Wenn es nicht jetzt schon zu spät ist…
    Atmen Sie tief durch.
    Wir sind dabei eine mögliche Zukunft zu betreten, und es wird einige Mühe kosten, sich daran zu gewöhnen.
    Sie sind auf einer Straße. Eine Frau nähert sich Ihnen. Es sieht so aus, als würde sie einen Dschungel tragen. Sie starren erstaunt hinterher, als sie vorübergeht; in einer Distanz von etwa einem halben Meter um sie herum können Sie knorrige Bäume, Ranken und Kletterpflanzen, exotische Vögel und sogar einen auf der Lauer liegenden Leoparden erkennen.
    Sie geht an einer Mauer entlang und das Bauwerk lächelt sie unvermittelt an – die gesamte Mauer ist ein massives Paar Lippen in drei Dimensionen. »Guten Morgen, Miss Andrews«, sagt die Mauer. »Womit können wir Ihnen heute dienen? Kleidung einkaufen oder nur ein Bummel?« Anzeigenmauern sind formell und ein wenig schwerfällig im Design. Förmlich jeder ist den Anzeigengesellschaften, die Computer verwenden, um nicht nur auf Konsumentengruppen, sondern auf Individuen abzuzielen, vom Gesicht her bekannt.
    Die Frau beachtet die Mauer nicht und geht weiter.
    Als Sie sich nähern, zerfällt das Lächeln in einen Schwarm von grellbunten Schmetterlingen.
    »Vornehmer Herr«, sagte die Anzeigenmauer. Schmetterlinge flattern um Sie herum. »Im Moment habe ich Ihren Namen nicht im Speicher. Womit kann Ihnen Freepic heute dienen?«
    Sie murmeln etwas von dem Wunsch, ein Computergeschäft zu finden.
    »Chips & Disks, das älteste Computergeschäft der Stadt, ist nur zwei Blocks entfernt.« Eine Karte erscheint vor Ihrem Gesicht und verwandelt sich dann in eine Geschwindigkeit aufnehmende visuelle Tour. Sie sehen sich selbst, wie Sie zwei Blöcke nach Süden gehen, sich nach links wenden und das Geschäft betreten. Das Bild endet mit einer Projektion der Geschäftsfront in großem Rahmen. Symbole übermitteln die
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