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talon014

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Titel: talon014
Autoren: Blutmond
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Zufrieden steckte er das Messer in den breiten Lendengurt, der das Tuch aus Antilopenleder um seine Hüften hielt. Währenddessen hatte N’kele die anderen Männer angewiesen, so viele Speere wie nötig aus den Schlaufen zu ziehen und nach oben zu tragen. Er selbst nahm eine der Lanzen in die Hand und betrachtete sie sich lange.
    „Wie ist es?“, sprach er Talon plötzlich an, als sie alleine waren. „Kannst du mit so etwas umgehen?“ Ohne weiter abzuwarten, warf er ihm die Waffe zu. Der Weiße fing den Speer geschickt ab, drehte den Schaft in der Hand, um ihn besser halten zu können. Seine Augen richteten sich auf den Farbigen, als er sich kurz zurücklegte und den Speer dann mit aller Wucht von sich schleuderte. Er bohrte sich neben N’kele in einen der Holzbalken an der Wand. Das Schaftende wippte leicht nach.
    „Lassen wir es dabei bewenden, dass ich es kann“, erklärte Talon kühl. Die Spannung zwischen den beiden Männern schien in der dunklen Umgebung förmlich Funken zu schlagen.
    Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, nickte der Hüne und verließ die kleine Kammer, eines der Messer an sich nehmend, das er wie Talon in seinen Gürtel steckte. Nachdem sie die Treppe passiert hatten und den im Dunkel der anbrechenden Nacht liegenden Dschungel betraten, zogen mehrere der Männer das Gestrüpp wieder vor den Eingang und deckten ihn mit neuen Blättern und Lianen ab. Jede der Wachen hatte inzwischen eine der Lanzen erhalten. Die meisten von ihnen machten einige Übungen mit den langen Waffen oder forderten sich zum Test gegenseitig zu Duellen heraus.
    In der Dunkelheit huschten die Körper wie Schemen über die Lichtung. Nur das Aufeinandertreffen von Schäften oder Klingen durchbrach dieses unwirkliche Bild mit Klängen voller Deutlichkeit.
    Längst schon war die Sonne untergegangen, und der Mond stand flach über dem Horizont. Doch sein Licht warf keinen hellen Schein auf die weit geschwungene Landschaft. Tiefrot erfüllt waberte die abendliche Luft und legte sich schwer auf die Männer, die dieses Bild voller Unbehagen betrachteten.
    „Wir brechen auf“, zerschnitt Talons Stimme leise den Augenblick. N’kele zuckte fast erschrocken zusammen, als ihm der Weiße die Hand auf den Oberarm legte und ihn aus seiner Betrachtung riss. „Shion erwartet uns.“
    Der dunkelhäutige Hüne nickte ernst und rief seine Männer mit kurzen Befehlen zusammen. In einer lang gezogenen Linie tauchte die Gruppe wieder in den Dschungel ein und bahnte sich einen Weg durch den dicht bewachsenen Untergrund. Langsam führte der Weg bergauf. Der schwarze Löwe wollte sie auf einer kleinen Anhöhe erwarten, die einen Blick auf die umliegende Ebene freigab.
    Nach gut zwei Stunden ließen sie die letzten Ausläufer des grünen Pflanzenmeeres hinter sich und stiegen den kleinen Hügel empor, dessen karger, dunkelbrauner Boden nur von wenigen trockenen Savannengräsern bedeckt war. Talon hob den Kopf an. Gut zwanzig Meter über sich konnte er die kleine Anhöhe ausmachen, die ein kleines Plateau bildete. Auf der äußersten Kante ruhte auf einem schroff abfallenden Felsen der dunkle, wuchtige Leib Shions.
    Obwohl das schemenhafte Wesen nur aus Schwärze bestand, hob es sich vor dem nächtlichen Himmel deutlich ab und schimmerte aus einem inneren Licht heraus, das voller Energie zu wirbeln schien. Es ruhte auf dem Felsen wie eine lange vergessene Statue und bewegte sich auch nicht, als die Männer die Kuppe erreicht hatten.
    Erst als sich Talon neben dem schwarzen Löwen niederließ und sein Blick über die Ebene schweifte, wandte das Tier den massigen Kopf. Die roten Augen leuchteten gluterfüllt auf.
    [Ich habe vergessen, wie es ist, den Tempel zu verlassen. Die Welt ist mir so fremd geworden, so unwirklich] , hallte die Stimme im Kopf des Mannes wider.
    Leise lachte Talon auf, doch dabei schwang mehr an Bitterkeit als Erheiterung in seiner Stimme. „Was hält dich davon ab, hier zu bleiben?“
    Shions Kopf fuhr hoch.
    [Das] , erwiderte er nur knapp und deutete mit der Schnauze auf den blutroten Mond, der nun hoch über ihnen stand. [Du stellst die Frage nicht aus Unwissenheit, Talon, sondern weil du die Konsequenz der Antwort fürchtest.] In einem imaginären Wind wirbelten die schattenhaften Enden der Mähne auf. [Wenn wir Eser Kru nicht aufhalten, wird etwas beginnen, das niemand mehr aufhalten kann. Es ist meine Verantwortung. Die Kräfte, die in diesem Tempel wohnen, dürfen niemals unkontrolliert freigesetzt werden.
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