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talon005

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Titel: talon005
Autoren: Unsichtbare Augen
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hüllte. So nahm keiner von ihnen mehr die hochgewachsenen Silhouetten wahr, die sich wie Phantome aus dem Schatten der steinernen Pfeiler lösten.
    Das Fahrzeug bahnte sich mit röhrendem Motor seinen Weg durch die Einöde. Die unebene Strecke ließ das Chassis stark ruckeln, und so hielten sich die Insassen vorsichtshalber an den Sicherheitsgriffen des Geländewagens fest.
    Alice Struuten wies mehrmals Eugene wegen der Fahrweise frotzelnd zurecht und hustete jedes Mal, wenn der aufgewirbelte Staub in ihren Mund drang. Sie hatte offensichtlich Schwierigkeiten, sich der holprigen Fahrweise anzupassen und bewunderte Janet, die neben ihr völlig ruhig auf ihrem Sitz saß, den Blick kühl nach vorne gerichtet.
    „Miss Verhooven?“, rief sie ihr durch den Motorenlärm zu. Die blonde Frau wandte sich ihr überrascht zu. Alice lächelte verschmitzt zu ihr herüber. „Ich ziehe meinen Hut vor Ihnen! Sich so schnell bei dem Typen einzuklinken“, sie deutete mit dem Zeigefinger auf Talon, der das Gespräch hinter sich durch den Lärm nicht mitbekommen konnte.
    „- Sie wissen, wo eine gute Story zu holen ist“, gestand sie ihr neidlos zu.
    Janet verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln.
    „Miss Struuten – ich weiß vor allem, wo es die besten Männer gibt.“
    Sie genoss den verdutzten Blick auf dem Gesicht der Fotografin mit innerer Genugtuung und wandte ihren Blick wieder nach vorne, ohne sich auf ein weiteres Gespräch einzulassen.

    Stille wehte durch die steinerne Dunkelheit.
    Die Strukturen der gewaltigen, in sich verschachtelten Hallen ragten wie ein zerfallenes Skelett aus dem Dämmerlicht. Pfeiler und Streben aus einem marmorartigen Material, durchzogen von Myriaden Rissen und Brüchen, ragten in die Höhe und trugen die mächtige gewölbte Decke, die das Licht zu sich zog und in einem stummen Wirbel verschlang.
    Hallen, von der Zeit längst vergessen. Es schien, als seien die zerschmetterten Ornamente und Verzierungen eingefroren worden. So, als sei alles im Augenblick des Todes erstarrt.
    Trotz der zahlreichen Risse und Löcher im Gestein hatte sich die Natur nie die archaischen Gänge und Säle zurückerobern können. Von draußen schimmerte das vielfältige Grün des Dschungels in die Räume. Es fand sich jedoch kein Blatt, kein Ast, der den Boden der Ruinen bedeckt hätte.
    Inmitten des großen Kuppelsaales, der die Mitte des Bauwerks bildete, schraubte sich eine mächtige, zylindrische Säule in die Höhe. Weit über dem kostbar getäfelten Boden wartete das Dunkel auf der Spitze der Säule, schlafend, erstarrt.
    Der mächtige schwarze Körper ruhte einer Statue gleich auf der ebenen Fläche, die die Säule abschloss. Nur schwer waren die muskulösen Gliedmaßen unter dem obsidianfarbenen Mantel aus Licht zu erkennen.
    Von einem Augenblick auf den anderen erwachte die Dunkelheit. Blutrot schimmernde Augen öffneten sich in der schwarzen Fläche des breiten Schädels. Momente verstrichen, in denen sich der Körper festigte und sich nachtschwarzes Licht um die zerfließenden Glieder sammelte. Dann erleuchtete die Spitze der Säule in einem schillernden Wirbel bunten Lichts.
    Der dunkle Körper materialisierte sich am Fuß der Säule und schritt langsam den breiten Korridor entlang, der nach draußen führte. Lichtreflexe blitzten in der dunklen Mähne auf, die sich in einem imaginären Wind bewegte. Der gewaltige schattenhafte Leib des Löwen nahm die Umgebung wie ein Herrscher wahr, der nach langer Zeit wieder in seinen Palast zurückkehrte.
    Endlich erreichte er einen breiten, torartigen Ausgang, der nach draußen führte. Vor ihm öffnete sich eine ausgedehnte Plattform, die sich wie ein Balkon um das Gebäude zog. Hungrig sog der Blick des schattenhaften Löwen das Bild der Ebene in sich auf, das sich ihm eröffnete.
    Sein mächtiger Körper verharrte nun an der Kante des Balkons. Die unendliche Weite des Dschungels leuchtete in den verschiedensten Grüntönen, nur selten unterbrochen durch das tiefe Ocker der trockenen Savanne im Norden. Eine Reihe lange zerfallener obeliskartiger Säulen erhob sich über die Baumkronen. Sie zog sich einer geraden Allee gleich in Richtung der Savanne, in eine Vergangenheit, die lange hinter dem nachtschwarzen Beobachter hoch über der Szenerie lag.
    Ein tiefes Grollen löste sich aus dem Dunkel.
    Sein Ruf war erfolgt. Er musste nur warten, bis sie kamen, um sich mit ihm zu messen.
    Um ihn als den Herrn anzuerkennen.

    „Erzabbau? Hier?“
    Talon warf Janet
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