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Tai Chi Chuan

Tai Chi Chuan

Titel: Tai Chi Chuan
Autoren: Andrea Schönig
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tritt,
    ist weich und schwach,
    und wenn er stirbt,
    so ist er hart und stark.
    Die Pflanzen, wenn sie ins Leben treten,
    sind weich und zart,
    und wenn sie sterben,
    sind sie dürr und starr.
    Darum sind die Harten und Starken
    Gesellen des Todes,
    die Weichen und Schwachen
    Gesellen des Lebens.“
    Das Wasser ist das beste Beispiel für die Überlegenheit des weichen Prinzips. So hart der Fels auch ist, so unberührbar er scheint, das Wasser höhlt im Laufe der Jahrmillionen noch jeden Felsen aus. Das Tai Chi Chuan ist ein weiches und sanftes Bewegungssystem. Als Selbstverteidigungskunst arbeitet es – ähnlich dem Aikido – mit der Kraft des Gegenüber. Je fester dieser schlägt, desto mehr schwächt dieser sich selbst, umso unkontrollierter läuft dieser ins Leere. Härte wird Weichheit entgegengesetzt und weist sich in diesem Fall als das überlegene Prinzip aus.

    Wird der menschliche Körper im Laufe des Lebens starr und unelastisch, so bietet er Angriffsflächen für vielfältige Erkrankungen, Verkrampfungen der Rückenmuskulatur führen zu Rückenbeschwerden, verspannte Brustmuskulatur behindert das Atmen, ein zu hoher Muskeltonus in der Bauchmuskulatur erschwert die ungestörte Arbeit der inneren Organe etc.
    Das Tai Chi Chuan ist so angelegt, dass es die Weichheit des Leibes übt, den niedrigen Tonus bevorzugt. Leichte und sanfte Bewegungsweisen im Zeitlupentempo sind dem Prinzip der Weichheit verpflichtet und fördern die Lebendigkeit des Leibes. Ein weicher – nicht schlapper – Körper ist auf Belastungen wesentlich besser vorbereitet, als ein Leib, der bereits einen lebensgeschichtlich hoch angewachsenen Spannungszustand mit sich bringt, der bis hierhin bereits sehr viel Lebensenergie durch seinen überhöhten Tonus verbraucht hat.
    Man kann dies über den psychosomatischen Zusammenhang sehr gut verdeutlichen: Ein Mensch, der in eine plötzlicheStresssituation gerät, reagiert auf der emotionalen und der physischen Ebene. Eine ganze Reihe körperlicher Mechanismen wird über die emotionale Erregung ausgelöst, um der unvermutet auftretenden Anforderung gewachsen zu sein. Ein Mensch hingegen, der sich in dieser Art und Weise ständig bedroht fühlt, permanent das Gefühl hat, sich sozialen Anforderungen gegenüber verteidigen zu müssen, entwickelt ein latentes Anspannungsverhalten, das seiner Intensität nach in der Regel unter der akuten Stressreaktion liegt, ihr aber in der Tendenz ähnelt.
    In der Stressreaktion sind folgende Erscheinungen beobachtbar: Der in der stresshaften Anforderungssituation alarmierte Hypothalamus aktiviert die Nebennieren, welche hierauf das Stresshormon Adrenalin in die Blutbahn absondern. Diese Hormonausschüttung löst weitere Reaktionen aus: Der gesamte Muskeltonus erhöht sich; der Atem wird heftiger und flacher; der Herzschlag beschleunigt sich; der Blutdruck erhöht sich; die Leber sondert vermehrt Körperzucker für die Energielieferung an die Muskeln ab; die Schweißdrüsen arbeiten kräftiger; die Haut wird blass, da sich die Blutgefäße unter der Haut zusammenziehen; die Pupillen erweitern sich und die Haare richten sich auf. Der gesamte Organismus wird aktiviert und verbraucht dementsprechend mehr Lebensenergie.

    Ein Mensch, der nicht in der Lage ist, diese Erhöhung des Spannungszustandes wieder restlos auszugleichen und zum Normaltonus zurückzukehren, überfordert sich und verbraucht unnütz einen großen Teil seines für diese Lebensspanne zurVerfügung stehenden energetischen Potenzials. Oftmals zwingen ihn „harte Verhältnisse“ zur Aufgabe seiner Weichheit. Dies können eine Yang-betonte Erziehung im Elternhaus oder ständige Extremleistungen fordernde Arbeitsverhältnisse sein. Manchmal geht das Gefühl für die Weichheit des Leibes in solch einer Situation verloren und wird aber unter sich wendenden sozialen Verhältnissen nicht wieder entdeckt.
    Das Tai Chi Chuan holt das Lebensprinzip der Weichheit aus seiner Vergessenheit hervor, wenn es in der richtigen Art und Weise eingeführt wird. Das Tai Chi Chuan schult uns leibnah im Prinzip der Weichheit und macht uns täglich auf die notwendige innere Weichheit auch im Alltag – als Gelassenheit – aufmerksam. Gelassenheit – nicht Gleichgültigkeit – als psychischer Grundtonus schont zum einen die eigenen Nerven und Lebensenergien, macht aber auch gleichzeitig den Mitmenschen deutlich, wie bedeutsam eine Situation dann ist, in der ich mich tatsächlich einmal aufrege und bewusst aus meiner
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