Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tai Chi Chuan

Tai Chi Chuan

Titel: Tai Chi Chuan
Autoren: Andrea Schönig
Vom Netzwerk:
und Yang sind zwei Schlüsselbegriffe der taoistischen Philosophie. Yin meint ursprünglich die beschattete Seite des Flussufers (dunkel) und Yang die besonnte Seite des Ufers (hell). Yin und Yang werden durch den dunklen und den hellen Tropfen im Yin-Yang-Symbol charakterisiert. An der breitesten Stelle des dunklen Tropfens gibt es einen kleinen hellen Yang-Kreis und dort, wo der Yang-Tropfen den größten Durchmesser hat, befindet sich ein schwarzer, kreisförmiger Punkt. Man sieht, dass Yin und Yang ineinander verschlungen sind. Obwohl ihre Farbe so unterschiedlich ist, bilden sie miteinander eine Einheit – zum Kreis zusammengefasst.

    Der Kreis symbolisiert das „Wu Chi“ – den „Nicht-Anfang“. Mit dem „Wu-Chi“ ist das Chaos gemeint, in dem alle Unterschiede noch miteinander vermischt und noch keine polare Bindung eingegangen sind. Erst das kosmische Gestaltungsprinzip von Yin und Yang hat alles in eine polare Ordnung und einen polaren Wandlungsrhythmus gebracht. Tag und Nacht, Schlafen und Wachen, Ebbe und Flut, Winter und Sommer, Einatmen und Ausatmen bergen beide ineinander rhythmisch übergehende Aspekte, die als Polaritäten bezeichnet werden können. Hierbei meint Polarität nicht die Gegensätzlichkeit im westlichen Sinne, sondern nur die unterschiedlichen Aspekte des Einen – wie die zwei Seiten einer Münze oder eben das Yin-Yang-Symbol.

    Das Yin-Yang-Prinzip wird durch Laotses zweiten Vers besonders deutlich und bildhaft herausgearbeitet. 1
    „Wenn auf Erden alle das Schöne als schön erkennen,
    so ist dadurch schon das Häßliche gesetzt.
    Wenn auf Erden alle das Gute als gut erkennen,
    so ist dadurch schon das Nichtgute gesetzt.
    Denn Sein und Nichtsein erzeugen einander.
    Schwer und Leicht vollenden einander.
    Lang und Kurz gestalten einander.
    Stimme und Ton sich vermählen einander.
    Vorher und Nachher folgen einander.“
    Tai Chi Chuan ist eine Bewegungskunst, die durchgehend nach dem Prinzip von Yin und Yang aufgebaut ist. Die Yin-Yang-Pulsation ist typisch für die Bewegungsweise hinsichtlich Atmung, Richtungs- und Spannungswechsel, öffnender und schließender Bewegungsführung sowie für die permanentwechselnde Gewichtsverlagerung. Durch einen derartigen Bewegungsaufbau wurde dem Yin-Yang-Prinzip entsprochen und deutlich gemacht, dass hier eine Bewegungskunst entstanden ist, die sich in Übereinstimmung mit dem universalen Tanz des Makrokosmos befindet. Darüber hinaus wirkt dieser Rhythmus ausgleichend und ausbalancierend auf den Mikrokosmos „Mensch“. Die ausgeglichenen Yin-Yang-Anteile bewirken eine Stärkung der weiblichen Kräfte (Yin) desjenigen Menschen, der in der Regel zu viel Yang besitzt. Weist ein Mensch zu wenig Yang auf, so wird sein männlicher Anteil im Bewegungsablauf verstärkt. Besonders auf vegetativ überreizte Menschen wirkt sich die ausgeglichene Yin-Yang-Bilanz des Tai Chi Chuan beruhigend und den Parasympathikus stärkend aus. Annelie Keil („Gezeiten“, 1988) weist mit vielfältigen Beispielen darauf hin, dass die einseitige Berücksichtigung nur einer Polarität zu Krankheit und letztlich zum Tod führt. Künstlich vom Menschen geschaffene Automatismen, wie industriell-technische Systeme (z. B. Fließbandverhalten), verlangen nach ununterbrochenem Yang-Verhalten.

    Die Natur hingegen besteht aus einem permanenten, rhythmischen Prozess, in dem Spannung und Entspannung, Zusammenziehen und Auseinanderdehnen, Helligkeit und Dunkelheit, Kälte und Wärme zyklisch wechseln. Ein Mensch, der zu diesem Rhythmus nicht mehr finden kann, wird, auf Dauer gesehen, krank werden. Das Tai Chi Chuan will uns auf diesen Naturrhythmus aufmerksam machen und ein Bewusstsein für Yin und Yangin unserem Alltag begünstigen. Auch einmal ausruhen, auch einmal „nein“ zu einer Verpflichtung sagen, genügend Schlaf finden, nicht jeder Erfolgschance hinterherjagen und auch einmal müßig sein. Dann kann auch Anspannung, Einsatz und Engagement zu einer gesunden Lebensführung gehören.
    Wir bewegen uns im Tai Chi Chuan im Einklang mit Yin und Yang und versuchen, unserem Leben einen zyklischen Rhythmus zurückzugeben. Das Tai Chi Chuan kann uns täglich daran erinnern und darin bestärken.
Das Prinzip der Weichheit
    In einer kriegerischen Zeit, in der das harte Verhalten dominiert, sieht sich Laotse insbesondere dem Prinzip der Weichheit verpflichtet, wie er es im Weiblichen, im Wasser und im Nicht-Handeln sieht.
    Er formuliert in Vers 76:
    „Der Mensch, wenn er ins Leben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher