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Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition)
Autoren: Jeffrey Thomas
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aus Eisblöcken erbaut wurde, soll es wirklich noch kälter sein als hier? Fast bin ich selbst versucht, hierzubleiben, aber ich werde mich schon daran gewöhnen. Chara trägt zum ersten Mal, seit ich sie kenne, Kleidung. Seltsamerweise erhöht es meine Lust nur, wenn ich sie in Kleidern sehe – ihre Schenkel, die in engen, beinahe anstößigen Hosen stecken, während hier und da ihre Brüste unter den Schals hervorblitzen, die sie sich um den Bauch und die etwas hinderlichen Wurzeln ihrer Flügel wickelt. Ihre Nacktheit wird dadurch nur umso verführerischer sein – genauso wie ihr Haar, wenn sie es aus dem Tuch befreit, das sie sich um den Kopf bindet.
    Hier leben sehr einschüchternde, sehr primitive Dämonen, die wie Bären oder riesige Hyänen aussehen und wahlweise auf vier Beinen durch die Gegend galoppieren oder auf zweien durch die Stadt schwanken können. Aber meine Kameraden haben sie mit diversen Geschichten zufriedengestellt: Angeblich bin ich ein Diener, und sie wurden angewiesen, mich nicht schlecht zu behandeln. Mein Mitleid gehört jedoch den Verdammten dieser Stadt, mit ihren versteinerten Mienen und leeren Augen – sie werden furchtbar schlecht behandelt. Zu viele von ihnen haben weder Schals noch Kopftücher oder Hosen, die sie vor den pfeifenden Winden aus weißem Nebel schützen könnten, die hier so oft zwischen den langen, niedrigen Gebäuden durch die Stadt fegen.
    Den Dämonen von Charas Gattung, die in Gehenna leben, wurde die Wahrheit über den Genozid in Oblivion anvertraut. Sie wissen nun, dass wir davor geflohen sind. Auch wenn wir vermuten, dass einige von ihnen einen gewissen Groll gegen uns hegen werden, weil wir durch unsere Flucht möglicherweise Himmelsboten hierher geführt haben, scheinen uns die meisten doch mit Sympathie und Solidarität zu begegnen.
    Mittlerweile wäre Lyre ganz sicher kräftig genug, um sich, in eine Decke eingewickelt, an den Eingang der Schwarzen Kathedrale zu stellen und hinauszuschauen, aber er fühlt sich noch immer nicht ganz dazu in der Lage, sich tatsächlich hinauszuwagen. Die tierähnlichen Dämonen wurden angewiesen, auch ihn nicht zu belästigen. Er sieht noch ziemlich mager aus, finde ich, beinahe kahl … aber vielleicht legt er ja noch etwas zu und sein Haar wächst noch, bis er wieder ganz hergestellt ist.
    Allatou hat die Schwarze Kathedrale bereits neu programmiert, um sie unbemannt wieder in eine andere Richtung zurückzuschicken und etwaige Verfolger von unserer Fährte abzubringen, aber aufgrund dem Wunsch von Lyre bat ich sie, ihr Vorhaben noch ein wenig aufzuschieben …
    »Ich glaube, mein Vater ist in Oblivion«, vertraute Lyre mir an. »Ich will dir keine Vorwürfe machen«, fuhr er fort, »aber ich hatte gehofft, nicht von dort fortzumüssen. Ich dachte, ich könnte ihn vielleicht irgendwie, irgendwann finden. Wenn ich je aus diesem Buch befreit sein würde … so unwahrscheinlich mir das auch immer erschien …«
    »Du hast mir nichts davon gesagt«, erwiderte ich und fühlte mich trotzdem schuldig.
    »Na ja … es schien mir einfach nicht möglich, dass ich je wieder auferstehen würde, um irgendetwas in dieser Sache unternehmen zu können. Ich war hilflos. Ich habe es noch nicht einmal geschafft, es dir mitzuteilen. Unterhaltungen waren ja schon schwierig genug, ohne dass ich versucht hätte, meine Gefühle zu äußern, und …«
    »Frank, ganz ehrlich, ich habe noch nie jemanden getroffen, der irgendeinen Verwandten, einen geliebten Menschen oder wenigstens einen Bekannten aus seinem früheren Leben wiedergefunden hätte. Irgendwie kommt es mir so vor, als platzierten sie uns in der Hölle absichtlich so weit von unseren Lieben entfernt – schließlich ist sie ja groß genug, vielleicht sogar unendlich –, dass wir diese Entfernungen unmöglich überwinden können. Und nach allem, was wir wissen, gibt es vielleicht noch mehr Höllen als nur diese eine …«
    »Das weiß ich. Ich habe das schon andere sagen hören. Aber wenn ich’s dir sage … eines Tages, als du mich gegen das Fenster gelehnt hattest … ich glaube, dass ich ihn die Straße habe entlanggehen sehen. Ich könnte schwören, dass er es war.« Er schüttelte den Kopf und wandte sowohl das Auge, das ich so gut kannte, als auch dessen lange vermissten Zwilling von mir ab.
    »Hey, du weißt, dass du jetzt frei bist und alles tun kannst, was du willst, Frank, aber …«
    »Der Geist aus der Wunderlampe ist frei, wie?«
    »In diesen Zeiten ist das eine
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