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Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition)
Autoren: Jeffrey Thomas
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ihrem exotischen, animalischen Wesen. Ich musste mich daran erinnern, dass sie – eine Art künstlicher Organismus ohne unsterbliche Seele, der die Welt der Lebenden nie erlebt hatte – im Vergleich mit mir möglicherweise ebenfalls das Gefühl hatte, meiner nicht würdig zu sein. Trotzdem fühlte ich mich, erbärmlicherweise, durch ihre Stärke und ihre mutmaßliche Überlegenheit in meiner Männlichkeit angegriffen. Daran würde ich noch arbeiten müssen. Wir mussten ein Gleichgewicht zwischen uns finden, bei dem wir uns beide wohlfühlten.
    Ich stellte fest, dass die Wunde an ihrer Schulter gesäubert worden und bereits teilweise verheilt war. Sanft berührte ich ihre Haut neben der Wunde, aber sie schob meine Hand weg und sah mich streng an. Ich nehme an, es war ihr unangenehm, dass ich ihr meine Zuneigung durch Berührungen zeigte, während sich die anderen beiden im selben Raum befanden.
    Mit einem letzten dampfenden Pfeifen und einem quietschenden Ruck, durch den ich ins Taumeln geriet, kam die Schwarze Kathedrale zum Stehen – direkt neben einer Art erhöhtem U-Bahn-Gleis, das in der Düsternis draußen nur schwach zu erkennen war.
    »Wie viele Tage wird es dauern, bis wir Gehenna erreichen?«, wandte ich mich an Allatou, weil ich mich fragte, ob sich das langsame Tempo der Kirche wohl noch steigern würde, sobald wir die Stadtgrenze hinter uns gelassen hatten.
    »Tage?«, fragte sie zurück.
    Ich lächelte. »Vergiss es.«
    »Wir sollten die anderen begrüßen«, sagte Chara. »Ein paar gute Freunde von mir steigen hier zu.«
    Bevor ich ihr aus dem Führerhaus folgte, warf ich einen Blick aus dem Fenster und sah mehrere schattenhafte Gestalten, die sich auf dem U-Bahn-Gleis versammelt hatten. Ihre geflügelten Silhouetten verrieten mir, dass sie allesamt Dämonen waren. Ich hätte nie gedacht, dass ich einen solch bedrohlichen Anblick irgendwann einmal als beruhigend empfinden würde.
    Als wir die Haupthalle mit der hohen Decke betraten, sagte ich: »Ich hoffe, die haben Papier in Gehenna. Mir geht bald der Platz in meinem Tagebuch aus.«
    »Darf ich dein Tagebuch mal lesen?«, fragte Chara, ohne mich anzuschauen.
    »Ja. Bitte. Ich fühle mich geschmeichelt, dass du fragst.«
    »Ich will nur wissen, was du in mir gesehen hast«, erwiderte sie trocken.
    Die meisten anderen Dämonen hatten sich bereits an der Eingangstür der Kathedrale versammelt und waren dabei, sie zu entriegeln. Irgendjemand hatte das zerbrochene Glas aufgekehrt und die beiden toten Dämonen weggebracht.
    Die Tür öffnete sich, und die Dämonen strömten herein. Chara hatte mit etwa zwanzig gerechnet, aber jetzt zählte ich nur zehn.
    »Macht die Tür wieder zu. Beeilt euch!«, rief der Letzte, der hereinkam. »Die Himmelsboten sind überall … es werden immer mehr! Und es kommen immer wieder neue Engelstruppen!«
    Engel. Sie mochten vielleicht nicht so geschickt und stark sein wie die Himmelsboten, aber dafür konnten sie nicht getötet werden.
    »Wo sind die anderen?«, schrie Cresil.
    »Sie wurden alle getötet!«
    »Nergal«, seufzte Chara. Ich nahm an, dass das einer ihrer Freunde war, die sich uns eigentlich hätten anschließen sollen.
    Ein weiterer ihrer Freunde, der, wie ich erfuhr, Uphir hieß, rannte zu uns herüber. Er schenkte mir kaum Beachtung, als er keuchte: »Wir können die Kämpfe noch sehr lange aufrechterhalten … aber nicht auf dem offenen Schlachtfeld, sondern nur, wenn sich unsere Leute an geheimen Orten verstecken und guerillamäßig zuschlagen. Der offene Kampf wendet sich allmählich zum Vorteil der Himmelsboten – es strömen einfach zu viele von ihnen in die Stadt. Ich schwöre euch, das ist die komplette Armee des Himmels! Und jetzt noch diese Armee der Engel. Ganz zu schweigen davon, dass nicht alle unsere Leute auf unserer Seite kämpfen … es sind weniger, als ich gehofft hatte … aber vielleicht ändern ja noch ein paar von ihnen ihre Meinung, wenn die Bedrohung weiter wächst ...«
    »Den Himmelsboten ist es egal, ob sie sterben … das ist ihr größter Vorteil«, sagte Chara. »Wohingegen ich persönlich gerne am Leben bleiben möchte.«
    »Sie sind wie die Krebse«, stimmte Uphir ihr zu, wobei er sich offensichtlich auf die Schwärme der Fleisch fressenden Krustentiere bezog, denen ich in der Nähe von Caldera begegnet war.
    Die Türen waren wieder verriegelt. Nun konnte die Kathedrale ihre Reise fortsetzen.
    »Wir müssen mit den anderen sprechen«, fuhr Uphir fort. »In Pergamos gibt’s
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